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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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jetzt keine Zigarette anzuzünden!«
    Bevor Claudia darauf etwas erwidern konnte, war Sybille schon ins Haus geschlüpft.

102
    »Herr Kommissar!«
    Maus blieb auf der Treppe stehen und drehte sich um. Aus dem Halbdunkeln eilte ihm etwas atemlos Herr Li entgegen. Hatte Hammer wieder eine Sonderlieferung vom Restaurant »Goldener Lotos« bestellt? Ärgerlich erkannte Maus, dass er auch großen Hunger hatte und man ihn bei der Abendessenplanung offensichtlich übergangen und vergessen hatte. Deshalb fiel sein Gruß an Herrn Li etwas knapp aus, denn er beschränkte sich nur auf ein kurzes Nicken. Der Restaurantbesitzer ließ sich aber von dem hungergeplagten und daher etwas grimmig dreinblickenden Kommissar nicht einschüchtern, denn sein Anliegen war überaus dringend. Erst jetzt bemerkte Maus, dass der Lieferant keine Kartons mit duftendem Essen bei sich hatte. Stattdessen zog er einen trotzig dreinschauenden Jungen hinter sich her. Dass es sich dabei eindeutig um keinen der kleinen Lis handelte, war offensichtlich, denn der Knabe war blond.

103
    »Ich mach mal Licht!«
    Sehr langsam, erst dämmrig, dann immer heller wurde das geschmackvoll und vor allem teuer eingerichtete Wohnzimmer erleuchtet.
    »Oh, wie ich diese neuen Energiesparlampen hasse!«, schimpfte Sybille. »Bis man da mal etwas sehen kann, hat sich einer meiner Rabauken schon längst aus dem Staub gemacht. Ich sag’s dir. Für Kevin ein Segen, denn er kann damit immer noch ein paar Minuten rausschlagen, weil er sich versteckt, wenn’s ums Waschen geht! Na ja, jetzt erkenn ich was. Claudi, darf ich vorstellen: der Salon.«
    Neugierig ging sie in dem Zimmer auf und ab, öffnete eine Schublade, schloss sie wieder, zog ein Buch aus dem Regal, ließ es gelangweilt liegen, ging zur Sofa-Wohnlandschaft, hob eine Zeitschrift auf und begann zu blättern.
    »Mensch Sybille, lass das!«
    Die Angesprochene hob den Kopf und blickte konzentriert ins Leere.
    »Claudi, riechst des aa? Gas!«
    »Du bläde Henne, du!«
    Claudia musste nun auch lachen. Irgendwie hatte diese gemeinsame Aktion es geschafft, dass sie sich näher gekommen waren. Erstaunt musste sich Claudia Hubschmied eingestehen, dass sie Sybille mochte.

104
    »Dieser Junge«, erklärte Herr Li, »ist plötzlich vor meinem Auto aufgetaucht. Ich konnte gerade noch bremsen. Er muss irgendwo ausgebüxt sein. Sehen Sie selbst, er trägt nur einen Pyjama und ist barfuß!«
    Maus schaute stirnrunzelnd auf das Kind, das seinen Blick ohne Scheu erwiderte.
    »Ich habe ihn natürlich sofort geschnappt und gefragt, wer er sei und woher er komme, aber er will nicht antworten. Er ist total bockig!«
    Als bockig konnte man den Kleinen im Augenblick nicht bezeichnen. Neugierig drückte er sich jetzt an seinem Finder vorbei und betrachtete Maus aufmerksam.
    »Biste ein echter Bulle? Komm ich jetzt ins Gefängnis?«, fragte er aufgeregt.
    Erstaunt sahen die beiden Männer erst das Kind und dann sich an. Maus versuchte, seine zuckenden Mundwinkel unter Kontrolle zu bringen, damit er nicht lachte und Herrn Li ging es offenbar ebenso.
    »Ja, ich bin Polizeihauptkommissar«, begann er dann vorsichtig das Gespräch. »Und eigentlich sperr ich niemanden ein, der nachts im Schlafanzug durch die Straßen irrt. Es sei denn, du hast vorher was ganz Böses gemacht. Hast du das denn?«
    Das Kind zog die Stirn kraus, als würde es scharf überlegen.
    »Die Mama suchen is doch nix Böses, oder?«, fragte er dann vorsichtig.
    »Äh, in den meisten Fällen eigentlich nicht. Wo is sie denn, deine Mama?«
    »Sie hat aber g’sagt, ich soll im Zimmer bleiben«, führte der Knabe seine Überlegungen laut fort.
    »Aha, und du hast das ja offenbar nicht gemacht, oder? Meinst du nicht, wir sollten dich mal ganz schnell nach Hause bringen, damit sich deine Mama keine Sorgen macht?«
    »Sie hat g’sagt, ich soll warten. Aber ich musste mal. Und dann war sie nicht da und ich hab sie g’sucht!«
    Maus seufzte. Kinder schienen ihre eigene Logik zu haben und was vielleicht für einen Erwachsenen wichtig war, verlor an Bedeutung, wenn Dinge wie Toilette an oberster Stelle standen. Aus dem Hinterkopf kramte er hervor, dass es im Umgang mit den Kleinen pädagogisch angebracht war, wenn man sich zu ihnen herunterbeugte, um dann auf Augenhöhe mit ihnen zu kommunizieren. Maus ging daher leicht ächzend in die Knie – der harte Arbeitstag forderte also schon seinen Tribut – und blickte in die großen, grauen Augen des Jungen.
    »Weißt was, vielleicht

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