Der Semmelkoenig
vielleicht sogar ’nen Notarzt rufen. Des hat alles seinen vorgeschriebenen Gang zu gehen.«
Krautschneider war mittlerweile an einem Punkt angelangt, der ihm sagte, dass er jetzt genug Energie gesammelt hatte, um Schadensbilanz ziehen zu können. Vorsichtig streckte er seine Glieder. Er war in Ordnung. Er hatte den Unfall ohne nennenswerte Verletzungen überstanden. Lediglich die Hände taten ihm weh, was auf den krampfhaften Griff zurückzuführen war, mit dem er noch vor ein paar Sekunden das Lenkrad fest umklammert gehalten hatte. Erleichtert blinzelte er ein paarmal und stieg dann auch aus.
»Mit mir is alles gut! Wegen mir braucht’s jetzt keine Ambulanz zu holen!«, informierte er die anderen, musste sich jedoch gleich darauf übergeben, was aber keinen besonders zu interessieren schien. Wolfgang starrte mit hängendem Kopf auf seine Schuhspitzen. Claudia suchte wie immer ihr Handy. Wenigstens warf Erika einen gleichgültigen Blick in seine Richtung, befand aber offensichtlich alles für nur halb so wild, drehte sich um und ging resolut zu ihrem mit laufendem Motor wartenden Auto.
122
»Es tut mir leid, aber es ging alles zu schnell. Der Angreifer kam von hinten«, von Hasenberg seufzte traurig und Kommissar Maus malte ein Strichmännchen auf den aufgeschlagenen Block. »Ich hätte es besser wissen müssen«, kam es, sich selbst anklagend, vom Bett her. »Der Möller hat die Augen aufgerissen. Er hat was gesehen, aber bevor ich mich umdrehen konnte, krachte auch schon was auf meinen Schädel und mir wurde schwarz vor Augen.«
Er räusperte sich und sah traurig auf die glattgestrichene Bettdecke. Maus hob den Blick. Kam da noch was? Vielleicht etwas, das weiterhelfen würde? Der Nachtfalter war jetzt nach einem mehrminütigen Anfliegen, Abprallen, Anfliegen, Abprallen neben der Lichtquelle seiner Sehnsüchte gelandet, um dort eine wohlverdiente Pause einzulegen.
»Meine Kondition is nicht besonders gut. Ich bin zu fett, das weiß ich selbst. Wenn mir das vor zehn Jahren passiert wäre, dann hätte ich schneller reagiert, hätte mich verteidigen können, hätte Möller gerettet.«
Maus versuchte, sich einen schlanken, athletischen von Hasenbach vorzustellen, der mit Kung-Fu-Schreien zur frühen Morgenstunde auf dem Parkplatz des Golfclubs der Angreiferin Blum einen Hammer, einen Golfschläger oder gar eine große Keule aus der Hand schlug, um sie dann nach einer eleganten Drehung gezielt mit einem Fußtritt ins Jenseits zu befördern. Er biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen.
»Tja, wir werden alle nicht jünger«, bemerkte er bedauernd.
Von Hasenbach nickte und fuhr mit leiser Stimme fort.
»Ich bin dann aber doch schneller als erwartet zu mir gekommen. Ich lag noch vor Möllers Auto, aber er selbst war verschwunden. Dann hörte ich erneut Schritte. Weil ich solche Schmerzen hatte und mittlerweile auch das Blut in mein rechtes Auge gesuppt hatte, konnte ich mich immer noch nicht bewegen. Im Nachhinein war das aber mein Glück, denn man dachte wohl, ich wäre noch bewusstlos. So konnte ich beobachten, wie ein Paar Bergstiefel über mich stiegen, zum Auto gingen und dort etwas suchten.«
»Die Bergstiefel suchten etwas?«, rief Maus erstaunt. Von Hasenbach versuchte ein Lächeln.
»Sie missverstehen mich. Natürlich steckte in den Schuhen ein Mensch. Ich konnte aber, wie bereits schon erwähnt, wegen der Schmerzen und der Dunkelheit nicht sehen, wer das war. Lediglich diese Schuhe haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Schicken Sie mir den Polizeizeichner und ich liefere Ihnen ein Phantombild, das seinesgleichen sucht.«
Maus lachte und von Hasenbach stimmte – soweit es die Schmerzen zuließen – mit ein.
»Gut, und was machte der Bergstiefel dann?«
»Er holte was raus. Was, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht das Geld, weswegen Möller hatte kommen sollen. Aber ich hab’s ja nicht sehen können. Tja, und dann blieb er kurz vor mir stehen, als würde er überlegen. Mir war klar, dass man mich beseitigen wollte. Ich schloss die Augen und machte weiter auf toten Mann. Das hat funktioniert. Als ich merkte, dass ich wieder allein war, hab ich mich aufgerappelt, bin zum Gebüsch gekrochen, hab mich dort hochgezogen und, fragen Sie mich bitte nicht wie, aber ich bin losgelaufen.«
Maus bewundernder Blick tat ihm gut. Bescheiden sah der Detektiv auf seine fleischigen Hände.
»Ich glaub, zuerst bin ich wie ein Betrunkener getorkelt, aber dann ging’s immer besser. Ich
Weitere Kostenlose Bücher