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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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auf die Füße zog.
    »Er is ein bisschen schwach auf der Brust. Is halt auch nicht mehr der Jüngste. Ich kann’s verstehen. Aber da ich überhaupt keine Ahnung von Motoren habe, bleiben Ihnen jetzt leider nur zwei Möglichkeiten.«
    Sie war es langsam Leid mit diesen unfähigen Männern. Wolfgang, der immer noch seine Zahnreihen aufblitzen ließ, in der Hoffnung, sie würde das süß finden, und jetzt dieser Opa, dem es anscheinend gefiel, sich wie ein Orakel aufzuführen. Ihre Geduld war am Ende.
    »Na, dann raus damit«, rief sie genervt. »Was kann ich erstens oder zweitens machen?«
    »Zum einen könnten Sie ihn in die Werkstatt bringen«, setzte er langatmig an. »Der Wagen hat eine gründliche Überholung nötig. Die Bremsen müssten eingestellt und Öl nachgefüllt werden, der Keilriemen sieht gar nicht …«
    »Und die zweite Möglichkeit?«, sie verdrehte die Augen. »Ich meine die, bei der ich nicht wochenlang auf eine unverschämt hohe Rechnung warten muss und jetzt gleich fahren kann?«
    »Gemach, gemach, junge Frau. Sie sind ja wirklich etwas zappelig«, tadelnd blickte er sie aus seinen trüben, alten Augen an und Erika schluckte ein erneutes genervtes Stöhnen hinunter.
    »Ich hab Ihnen doch erzählt, dass ich vor Jahren ein ähnliches Modell hatte«, sie nickte, unterbrach ihn aber nicht mehr, denn sie wollte endlich die Lösung wissen. »Tja, da hatte ich auch nicht immer Zeit, zur Werkstatt zu fahren. Ich hab’s dann mit ’nem Schubs gemacht.«
    »Wie bitte? Was soll denn ein Schubs sein?«
    »Na, ich hab ihn anschieben lassen. Sehen Sie, wenn man auf einer geraden Straße steht, dann muss man – wie in meinem Falle – die ganze Familie einspannen, die dann vereint schiebt. Ich sage Ihnen, das gab fast immer heftige Diskussionen. Meine Frau …«
    »Anschieben also? Doch so einfach?«, unterbrach Erika ihn.
    »Äh, ja. Zumindest könnten wir es probieren. In Ihrem Falle stehen Sie auch günstig, hier vorne geht es den Hügel runter. Man müsste das Auto also bis …«
    Mit einem »Rums« fiel die Motorhaube zu, Erika riss die Fahrertür auf, zog den immer noch lächelnden Wolfgang auf die Straße und setzte sich hinter das Steuer.
    »Meine Herren!«, rief sie dann. »Auf, auf, hier wird nicht mehr getrödelt. Ab nach hinten und schieben, aber zackig!«
    Der alte Mann beugte sich zu seinem Hund.
    »Du bleibst hier und wartest. Das wird zu schnell für dich. Ich bin gleich wieder da. Also sei schön brav, ja?«
    Als Antwort bekam er lediglich einen tieftraurigen Blick aus dunklen Dackelaugen. Er tätschelte noch einmal den Kopf seines Hundes und humpelte so schnell wie möglich zum Kofferraum, klemmte den Stock unter den Arm, legte die Hände auf das Auto, zählte bis drei und begann, mit dem jungen Mann den Manta anzuschieben.

116
    Er sah schlecht aus; wie er dalag in dem Bett, den dicken, weißen Verband, der mit seiner Gesichtsfarbe konkurrierte, um den Kopf. Kommissar Maus hatte sich einen Stuhl herangezogen und wartete. Obwohl er innerlich am liebsten aufgesprungen und auf- und abgegangen wäre, denn Krankenzimmer machten ihn immer nervös, riss er sich zusammen und harrte geduldig aus, bis die Krankenschwester mit der Kontrolle irgendwelcher wichtiger Instrumente fertig war.
    »So, Herr von Hasenbach, jetzt schütteln wir noch mal das Kissen etwas aus, damit Sie es so recht gemütlich haben«, flötete sie und in Maus stieg der Verdacht auf, dass es sich bei ihr um eine Sadistin handeln musste, denn sie verschwendete mit Absicht seine Zeit. Ferner zeigte auch ihr Drang nach Gemütlichkeit keinerlei Zartgefühl, denn mit einem brutalen Ruck – vielleicht hatte sie aber auch nur ein Problem, ihre Kraft richtig zu kanalisieren – drückte sie den Verletzten nach vorne, zog das Kissen aus seinem Rücken ein paar Zentimeter höher und schob von Hasenbach dann noch fester zurück, sodass dieser heftig aufstöhnte. Maus hatte Mitleid. In diesem Zimmer wurden die Menschenrechte eindeutig mit Füßen getreten.
    »Herr Kommissar«, wandte sie sich an ihn, während sie vorbildlich die Ecken des Kissens geradezupfte. »Sie können jetzt mit ihm sprechen. Aber nur kurz, denn Herr von Hasenbach ist noch sehr geschwächt und braucht sehr viel Ruhe, Verständnis, Schonung und nachher noch eine Spritze.«
    Der Patient wimmerte und Maus verstand ihn nur zu gut, aber er konnte nichts für ihn tun.

117
    Der alte Mann sollte recht behalten. Als der Manta, alias Schnuffel, kurz nach der Hügelkuppe ins

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