Der Semmelkoenig
Ratz, Onkel, koa Maus! De is halt no kloa. Die wachst no!«
Tja, ging es Claudia durch den Kopf, mit dem Trümmerhaufen würden sie heute nirgendwo mehr hinkommen. Der war nur noch Schrott.
»Ach ja, Frau Noller, hiermit informier ich Sie, dass Ihr Wagen beschlagnahmt ist!«, entschied die Kommissarin kurzerhand, zog wieder einmal das Handy hervor und rief den Abschleppdienst an. Krautschneider, inzwischen fertig, verabschiedete sich gerade.
»So Herrschaften, der Spaß hat nun ein Ende. Macht mal, dass ihr den Unfallort freiräumt, geht nach Hause, holt euch ein neues Bier, was auch immer. Gute Nacht allerseits und dir, Matze, noch einen schönen Urlaub hier in Bayern.«
»Alles klar!«, prostete der Tourist Krautschneider mit seiner halbvollen Flasche zu und überlegte, ob es wohl auffallen würde, wenn er einen Rückspiegel mitgehen ließ. Vorsichtig sah er in alle Richtungen. Ja, er war unbeobachtet. Der Bullenonkel ging zu den anderen beiden und die Frau diskutierte lautstark am Telefon. Rasch beugte er sich runter, packte den Seitenspiegel und versuchte ihn mit einem Ruck abzureißen. Ein schrecklicher Schmerz in seinem mit acht Piercings geschmückten rechten Ohr ließ ihn aufjaulen. Erschrocken sah er in Claudia Hubschmieds funkelnde Augen. Das war ja eine Sadistin, denn sie drehte weiter an seinem Ohr, sodass der junge Mann stöhnend auf die Knie ging.
»Burschi, wenn du ein Souvenir brauchst, dann gehst morgen auf den Marktplatz. Da hatt’s genug Geschäfte, wo du sogar am Sonntag legal was kaufen kannst!«, knurrte sie und ließ von ihm ab.
»Is ja jut, is ja jut!«, stöhnte Matze und hielt sich das schmerzende Ohr.
Claudia Hubschmied starrte ihn stumm an. Sie war schockiert! Sie war schockiert, weil sie sich selbst nicht wiedererkannte. Was hatte sie sich denn dabei gedacht, so brutal auf dieses halbe Kind loszugehen? Eigentlich hätte sie ihm sogar dankbar sein sollen. Schließlich wollte er ja nur den Müll entsorgen. Aber bevor sie so etwas wie eine Entschuldigung äußern konnte, wurde sie von Krautschneiders Neffen am Ärmel gezogen.
»Pardon, aber ich glaub, Sie würd interessieren, dass Ihre Leut grad im Begriff sind, ohne sie zu fahren.«
Claudia fuhr herum. Er hatte recht. Während sie sich hier mit plötzlichen Schuldgefühlen herumärgerte, saß Erika Noller bereits hinter dem Steuer ihres Wagens. Schlimmer noch; Wolfgang und Krautschneider zwängten sich gerade einvernehmlich auf die Rückbank. Claudia Hubschmied sprintete los.
»Was soll denn das?«, rief sie wütend, als sie wenige Sekunden später an der verschlossenen Fahrertür rüttelte. »Steig sofort aus! Des is beschlagnahmt!«
»Frau Kommissarin!«, grinste Erika herausfordernd, denn sie konnte es sich nicht verkneifen, den Motor sportlich aufheulen zu lassen. »Frau Kommissarin, hinter mein Steuer darf keiner außer mir, aber wenn Sie mitfahren möchten, dann steigen Sie ein. Aber schnell!«
Was blieb Claudia Hubschmied anderes übrig, als rasch wieder die Beifahrerposition einzunehmen, jedoch nicht, ohne einen giftigen Blick auf die Jugendgruppe zu werfen, die ihnen zum Abschied grölend nachjubelte.
130
»Der Möller sagte mir, dass er den Treffpunkt in letzter Sekunde auf den Golfclub verlegen konnte. Er hätte es zeitlich sowieso nur dorthin geschafft. Außerdem – und da stimmte ich ihm zu – schien ihm zu dieser Stunde der Parkplatz am sichersten. Ursprünglich war ja die Baustelle vom Schloss ausgemacht worden.«
»Baustelle?«, fragte Kommissar Maus. »Was für ’ne Baustelle? Und was für ein Schloss?«
»Ich weiß, was er meint«, schaltete sich Steffi ein. »Mein durchgeknallter Großonkel hat sich in den Kopf gesetzt, auf seine alten Tage einen Rückzugsort zu bauen. Aber wenn Sie jetzt denken, dass das eine gemütliche, kleine, seniorengerechte Angelegenheit werden sollte, dann sind Sie auf dem Holzweg. Onkel Sepp kleckert nicht, der klotzt. Er plant eine Art Schloss. Wie König Ludwig, den er immer schon sehr verehrt hat. Den Baugrund hat er meinem Vater für einen Spottpreis abgeschwatzt. Großer Fehler, sag ich Ihnen. Jetzt ärgern sich meine Eltern tagtäglich über die ganzen Laster, die an unserem Haus vorbeipoltern, mit Lieferungen von Zement und so. Außerdem haben sie große Probleme mit den ganzen Schwarzarbeitern aus Polen, die nicht weit von unserer Kuhweide ein Lager aufgeschlagen haben. Und nicht zu vergessen: der Lärm und der Schmutz. Meine Mutter …«
»Danke, Steffi, wir sind im
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