Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
Vom Netzwerk:
Rollen kam, sprang der Motor an und brummte so gleichmäßig und schön, dass Erika laut aufjubelte. Leider vergaß sie vor lauter Freude zu bremsen und merkte erst nach zwanzig Metern durch einen Blick in den Rückspiegel, dass Wolfgang winkend hinter ihr herrannte. Sie hielt sofort an, damit er einsteigen konnte. Auf dem Hügel sah man jetzt den Alten, der die Hände auf die Knie abgestützt hatte, um wieder zu Atem zu kommen. Neben ihm – die Leine hinter sich schleifend – wackelte auf kurzen Beinen der Hund herbei, setzte sich und blickte gelangweilt zu seinem Herrchen auf. Da dieser aber nur Augen für die immer kleiner werdenden Rücklichter des Autos zu haben schien, blieb dem Tier nichts anderes übrig, als mit einem vorwurfsvollen »Wiff« auf sich aufmerksam zu machen.
    »Schon gut, Sissy. Hast ja recht. Wir sollten uns mal sputen, damit wir nicht zu spät zum Teckel-Stammtisch kommen. Der Alfred hat angeblich eine ganz tolle Geschichte zu erzählen. Also, auf geht’s!«, sprach er, nahm die Leine und zuckelte langsam den Weg zurück.

118
    Die Krankenschwester war endlich gegangen. Irgendein Notfall hatte Maus und von Hasenbach gerettet und kaum war die Zimmertür geschlossen, kam Leben in die beiden. Maus beugte sich vor, zückte das Notizbuch und war bereit. Von Hasenbach – endlich mit offenen Augen, die trotz der Schmerzmittel klar und wach blitzten – versuchte sogar ein kleines Lächeln.

119
    Mit verschränkten Armen, vorgeschobener Unterlippe und starrem Blick auf die Straße machte Claudia Hubschmied jedem dreijährigen Kind Konkurrenz. Sie war sauer auf sich selbst, denn sie bereute es zutiefst, Krautschneider erlaubt zu haben, zu fahren. Er hatte zwar anfänglich versucht, mit ein paar Witzen die Situation etwas aufzulockern, aber das gefährliche Knurren seiner Kollegin belehrte ihn eines Besseren. Daher waren sie jetzt schweigend ungefähr fünf Minuten gefahren und er war richtig froh, dass sie bald das Revier erreichen würden. Nur noch zweimal abbiegen, dann wäre es geschafft.
    Ein kleiner Seitenblick auf Claudia genügte schon, um noch etwas fester auf das Gaspedal zu drücken. Doch er hatte sie anscheinend zu lange angeschaut, was er im Nachhinein sehr bereute, denn so sah er den Opel – der zwar nicht schnell, aber zu plötzlich auf die Hauptstraße gerollt war – zu spät. Claudia schrie wieder auf – er meinte, seinen Namen in Kombination mit einem Fluch zu hören – aber dank der kürzlich gesammelten Erfahrung, dass seine Kollegin gerne ins Lenkrad griff, wollte er ihr zuvorkommen und riss es selbst herum.
    Geschafft, sie waren dem anderen Auto ausgewichen. Das Adrenalin hatte jedoch seinen Körper mit einer Überdosis versorgt und anstatt auf die Bremse rutschte sein Fuß mit einer ungeahnten Kraft auf das Gas und drückte es durch. Der Wagen beschleunigte, nahm unaufhaltsam Kurs auf den nächsten Laternenpfahl, prallte krachend dagegen, schleuderte seine schreienden Insassen nach vorne und blieb stehen. Sekundenlang war es bis auf das Tuckern des Motors totenstill, dann kündigte ein »Plopp« an, dass die Airbags sich geöffnet hatten.
    »Scheißdinger! Ich hab’s ja gewusst, dass die nix taugen!«, schimpfte Claudia gedämpft, denn ihr Gesicht war im Kissen vergraben.
    Krautschneiders Blutdruck war im Keller, er glotzte, ohne etwas wahrzunehmen, was in Anbetracht des Airbags vor seiner Nase auch nicht relevant war, zitterte am ganzen Körper und war sich jetzt vollkommen sicher, dass er das nicht überlebt haben konnte. Jeden Moment würde seine Seele den Körper verlassen. Er fühlte noch Claudias Hand seinen Oberschenkel entlangtasten, um den Zündschlüssel zu suchen, zu finden, umzudrehen und somit den Motor abzustellen. Ja, nun war es endlich ruhig; nun konnte er vor seinen Schöpfer treten.

120
    »Er wollte mir nicht sagen, mit wem er sich verabredet hatte, aber er klang so besorgt, dass ich ihn überredet habe, mich wenigstens in der Nähe bleiben zu lassen.«
    Kommissar Maus tippte sich nachdenklich an die Nase. Das war mal wieder typisch Möller. Zwar war diesem langsam aufgegangen, dass die Erpresser doch nicht so einfach zu manipulieren waren, doch auf die Idee zu kommen, hier einmal die Polizei um Hilfe zu bitten, war dem stolzen Mann immer noch so fern gewesen wie die Nähe zum Mond. Stattdessen hatte er diesen Dreigroschenromanhelden in Gefahr gebracht. Möllers Arroganz und Egoismus waren beispiellos.
    »Wir waren um halb drei in der Früh auf dem

Weitere Kostenlose Bücher