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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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in die Luft flog und dann verschwand. Sie hörte Krautschneiders Fluch, seine Anweisung an Erika, in Deckung zu gehen, und dann ein wütendes: »Frau Blum! Geben Sie auf! Hier ist die Polizei. Sie haben keine Chance.«
    Ja, dachte Claudia, er hatte eine gute, laute und professionelle Stimme. Er würde das auch allein erledigen können, während sie sich für eine kleine Weile ausruhte. Ihr Kopf schmerzte unerträglich und sie drehte ihn zur Seite, aber auch diese Position brachte keine Besserung. Der Mond, endlich wieder von der Wolkenbank freigegeben, spendete silbriges Licht. Sie sah im Halbdunkeln den einen Schuh, sah den zweiten, dann waren sie weg. »Der Oberförster«, kam es ihr in den Sinn und lächelnd schloss sie die Augen.
    Obwohl Krautschneider versuchte, souverän Herr der Lage zu werden, sah es in seinem Inneren gar nicht so gut aus. Er war verzweifelt. Der Raum zu groß, eine Angreiferin mit Schaufel im Anschlag, ein Erhängter und eine verletzte Kollegin hätten vermutlich jeden ins Schwitzen gebracht. Fieberhaft überlegte er, wie er jetzt weiter verfahren sollte. Es machte ihn wütend, dass Claudia so egoistisch, so emotional gehandelt und ihn damit im Stich gelassen hatte.
    »Frau Blum! Ich warne Sie! Ich bin bewaffnet! Also ergeben Sie sich! Sofort!«
    Er hoffte, dass sie das leichte Zittern seiner Stimme nicht gehört hatte. Angespannt wartete er. Nichts! Alle – Menschen, Tiere, Gegenstände, ja selbst der Mond – schienen für einen Moment die Luft angehalten zu haben. Krautschneider stöhnte innerlich. Es half alles nichts. Er musste die Initiative ergreifen, denn man zählte auf ihn.
    »Erika«, flüsterte er über seine Schulter. »Bleiben Sie jetzt bitte dicht hinter mir und kommen Sie mit. Wir müssen nach Claudia sehn und vor allem dabei zusammenbleiben. Diese Wahnsinnige wird es bestimmt wieder versuchen.«
    »Blödsinn!«, schnaubte die Erzieherin empört und brüllte auch gleich. »Sandra! Ich bin es, Sandra! Komm her zu mir! Komm! Du brauchst keine Angst zu haben! Alles wird gut. Ich bin ja bei dir!«
    »Hören Sie sofort auf!«, rief Krautschneider entsetzt.
    War die Frau von allen guten Geistern verlassen? Sie brachte sie in ihrem guten Glauben an eine längst vergessene Freundschaft in höchste Gefahr. Schnell packte Krautschneider Erika am Handgelenk und zog sie hinter sich her.
    »Hee! Lassen Sie das!«, kam der verständliche Protest, der aber ignoriert wurde. Vor Claudia machte Krautschneider halt.
    »Los, sehen Sie nach, wie es ihr geht. Ich behalte derweil den Raum im Auge«, knurrte er.
    »Was denken Sie, wer Sie sind?«, zischte Erika erzürnt.
    Es ist natürlich nie gut, wenn zwei aufgebrachte Menschen in einer Stresssituation zusammenarbeiten müssen. Beide wären sich momentan viel lieber gegenseitig an die Gurgel gegangen, so wütend, ängstlich und hilflos fühlten sie sich. Da aber Krautschneider als Mann und Dienstwaffenbesitzer die Rolle des Verteidigers und Erika als Frau die Krankenschwesterrolle mit Pflegeinstinkt zufiel, verschoben sie ihre aufbrechenden Hassgefühle auf später und handelten automatisch. Krautschneider hatte große Schwierigkeiten, etwas zu sehen. Zwar warf der Mond mittlerweile wieder großzügig sein kaltes Licht in den dachlosen Raum, aber die Ecken blieben dunkel und Krautschneider war leider etwas nachtblind. Erika begann in der Zwischenzeit, brutal an der Kommissarin zu rütteln.
    »Claudia! Hörst du mich? Claudia! So komm doch endlich zu dir!«
    »He, was machen Sie da?«
    Krautschneider konnte es nicht glauben. Diese Frau war ein Metzger.
    »Meine Kollegin hat etwas auf den Kopf gekriegt. Da können Sie doch nicht …«
    »Chef!«, brauste Erika auf. »Das weiß ich selbst. Aber sie hat normalen Puls und blutet nicht. Da kommt demnächst ’ne dicke Beule und mehr nicht! Ich weiß schließlich aus meiner Erfahrung mit tobenden Kindern, wie ich mit solchen Verletzungen umzugehen habe und Ihre werte Kollegin hat sich vorhin auch nicht anders benommen, als der Schlimmste meiner Dreijährigen. Also von meiner Seite alles unter Kontrolle! Aber an Ihrer Stelle würd ich mich auch mal nützlich machen und die Taschenlampe holen, damit wir besser sehen können. Ich glaube nämlich …«
    »Schon gut, schon gut!«, unterbrach Krautschneider ihren immer schriller werdenden Monolog und musste zähneknirschend zugeben, dass die Idee mit der Taschenlampe nicht schlecht war.
    Schnell drehte er sich noch einmal in alle Richtungen, um sich zu

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