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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Irre auf der Flucht durch eine der vielen Türen zurückkommen würde und der Besinnungslosen die Pistole wegnahm. Dann wären die Karten neu gemischt und Krautschneider hatte keine Lust, aus dem Hinterhalt erschossen zu werden. Da ihm keine Zeit mehr blieb, lange das Pro und Contra abzuwägen, griff er schnell zu, löste Claudias Finger von dem Griff, steckte ihre Waffe kurzerhand ein und rannte aus dem Raum. Draußen blickte er sich hastig um. Welche Richtung hatten sie genommen? Der Lichtstrahl seiner Stablampe glitt durch den endlos scheinenden Korridor. Dort, wo sie hergekommen waren, würden sie nicht hingelaufen sein. Bestimmt hatte die verzweifelte Mörderin schon mitbekommen, dass dort die Bautruppe auf sie wartete. Dann also in die andere Richtung.

159
    Wolfgang hatte schnell herausgefunden, dass man ihn abgeschoben hatte. Nachdem er zum Auto gegangen war, wurde er gleich enttäuscht, denn es war abgeschlossen. Was nun? Sollte er wieder hineingehen und bei den Bauarbeitern warten? Zumindest wäre das spaßiger, als hier in der kühlen Nacht allein herumzustehen.
    Aber andererseits hatte er auch ein bisschen Angst vor seiner Cousine. Claudia wäre bestimmt nicht erfreut gewesen, wenn er ihre Befehle missachtet hätte. Nicht auszudenken, was sie dann seiner Mutter wieder erzählen würde. Seit Längerem hatte er bereits den Verdacht, dass sich die Frauen in seiner Familie zusammenrotteten und nur noch ein gemeinsames Ziel hatten: ihm ihre Fürsorge zu entziehen! Warum sonst war seine Mutter in letzter Zeit so oft im Urlaub und wenn sie mal da war, dann ging sie nicht ans Telefon, und noch schlimmer: Sie ließ sich viel länger Zeit als früher für seine Wäsche. Einmal hatte sie ihm sogar unverblümt gesagt, er solle langsam mal erwachsen werden und sich eine nette Frau suchen. Pffft, die hatte leicht reden! Er war noch viel zu jung, um sesshaft zu werden, und die Welt war voller atemberaubender Frauen, sodass er sich wirklich noch nicht festlegen wollte. Er grinste. Dass Erika dazugehören würde, hätte er bis heute Nachmittag bestimmt nicht gedacht. Die Erika! Die war vielleicht eine!

160
    Auf der linken Seite zweigte plötzlich ein Nebengang ab. Krautschneider lauschte einige Sekunden. Nichts. Oder doch? Er drückte sich an die Wand und spähte um die Ecke. Hier waren im Abstand von einigen Metern Säulen hochgezogen. Es sollte wohl so eine Art Arkade werden. Der Architekt war wahrscheinlich mittlerweile dem Wahnsinn verfallen, dachte Krautschneider grimmig, sah aber keinen Anlass, sich diese Absurdität näher anzuschauen. Er wollte sich schon umdrehen und den Hauptgang weitereilen, als er ein sonderbares Geräusch hörte.
    Schnell lenkte er den Lichtstrahl in die Richtung des dumpfen Lautes. Da war was! An der dritten Säule! Er konnte es aber nicht genau erkennen. Blitzartig sprang er um die Ecke und lief in den Gang. Ein Mensch, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte ihm den Rücken gedreht und schien sich an der Säule festzuhalten. Krautschneider kam an der zweiten Säule zum Stehen, versuchte zunächst, seinen schnellen Atem unter Kontrolle zu bringen, bevor er aus sicherer Deckung schrie.
    »Hier ist die Polizei. Geben Sie sich sofort zu erkennen!«
    Sein Herz schien zu rasen, sein Puls pochte in den Ohren und er lauschte angestrengt. Da! Eine Art Wimmern, ein kleines Schnaufen, ein Scharren mit den Füßen. Was sollte das bedeuten?
    »Haben Sie mich gehört? Polizei!«
    Ein »Hmmmmmmhmmmmmhmmmm« kam jetzt als Antwort. Krautschneider atmete tief ein, dann sprang er um seine Säule herum und richtete Waffe und Taschenlampe auf die verdächtige Person. Eine Frau! Eine Frau klammerte sich an dem Pfeiler fest und drehte ihm immer noch den Rücken zu. Krautschneider ging vorsichtig um sie herum. Jetzt konnte er ihr blasses Gesicht sehen, aus dem ihn riesige, ängstliche Augen anstarrten. Sie war an der Säule gefesselt und natürlich konnte sie nicht sprechen, denn über ihrem Mund befand sich ein hässlicher Klebestreifen. Krautschneider, der sich in der Freizeit gerne als Heimwerker betätigte, erkannte sofort das Isolierband seiner Lieblingsfirma. Ja, darauf war Verlass! Damit konnte man alles abdichten, auch Damen, die man zum Schweigen bringen wollte. Sein Blick fiel auf ihre Arme und er sah die Handschellen, mit denen sie festgekettet war.
    »Oh je, das ist aber schlecht«, war sein ehrlicher Kommentar.
    Die Frau versuchte wieder, etwas zu sagen. Gleichzeitig nickte sie mit ihrem Kopf nach

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