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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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folgen würden, dann ist es mir eine Ehre, Sie und Ihre Gefolgschaft dorthin zu geleiten. Der Weg ist nicht allzu weit. In zehn Minuten könnten wir es schaffen, wenn wir uns ein bisschen sputen.«
    Kommissar Maus war sprachlos. Mit halboffenem Mund sah er zu, wie der neue Fremdenführer jetzt an ihm vorbeiging und einen kleinen Pfad Richtung Wald einschlagen wollte. Sollten sie ihm etwa wirklich folgen?
    »He, Meister!«, brüllte Horst, der, eine brennende Nelkenzigarette in der Hand, am Rettungswagen lehnte, mit gewohnt lauter Stimme. »Warum fahrn wir nich dahin?«
    Lech blieb abrupt stehen, drehte sich langsam um und schüttelte nachsichtig den Kopf.
    »Weil der Weg für diese Art Fahrzeuge schwerlich passierbar wäre. Dazu hätte lediglich ein Allrad eine Möglichkeit, nicht aber dieses altertümliche Liebhaberstück, welches nur ein frankophiler Mensch fahren würde.«
    Maus meinte sich verhört zu haben, aber es gab keinen Zweifel, dass nicht von dem Krankenwagen, sondern von seinem erst zwei Jahre alten Peugeot gesprochen wurde. Beleidigt sah er Lech an und strich dabei unauffällig, aber liebevoll über die Motorhaube seines blechernen Freundes. Vielleicht hatte der andere nicht so ganz Unrecht. Warum sollte er kurz vor dem Ziel das Risiko eingehen, wie der Manta steckenzubleiben, und deswegen womöglich zu spät zu kommen?
    »Also gut«, brummte er. »Dann eben zu Fuß. Los Leute! Abmarsch!«
    »Nö, mit mir nicht!«
    Was war denn nur in Horst gefahren? Warum war er denn so bockig? Vermutlich lag es daran, dass er die souveräne Rettungsaktion der Polen noch nicht ganz verdaut hatte. Sein Ego war angekratzt, er fühlte sich missverstanden, wollte auch mal wieder was zu sagen haben und verabscheute sowieso von jeher Spaziergänge in der Dunkelheit. Er nahm noch einen tiefen Zug von seiner duftenden Zigarette und erklärte: »Meine Kiste schafft das! Kommt halt immer drauf an, wer am Steuer sitzt, nicht wahr! Ich fahr, wenn’s recht is und wir werden ja sehen, wer als Erstes ankommt!«
    »Von mir aus! Viel Glück!«, entgegnete Maus, drehte dabei Hammer, der gerade versuchte, sich wieder zum Krankenwagen zurück zu stehlen, in Richtung Wald und schob ihn der Einfachheit halber gleich vor sich her. Die anderen folgten.

158
    Der Mond war hinter einer Wolkenbank verschwunden und der Raum lag vollkommen düster da. Raschelnd und fiepend machten sich die Ratten, die, durch die vielen Geräusche der Hinrichtung verschreckt, verstummt waren, wieder bemerkbar. Leise knarrte das Seil, an dessen Ende der leblose Körper leicht hin und her schwang. Claudia Hubschmied schaltete kurz die Taschenlampe ein, wollte sich erst einmal orientieren und hätte sie im gleichen Augenblick vor Schreck fast fallengelassen, als der Lichtkegel auf ein Paar hoch in der Luft hängende Füße fiel. Krautschneiders schneller Reaktion war es zu verdanken, dass dies nicht passierte, denn er griff ihre Hand und hielt sie fest.
    »Mein Gott!«, auch Erika, hatte es gesehen. »Da hängt ja einer!«
    »Hannes!«, stieß Claudia hervor, befreite sich von Krautschneider und ließ das Licht wieder auf den Mann fallen. »Hannes!«
    Sie rannte los, durch den Raum, auf den Toten zu, wollte ihn von vorne sehen, musste sich vergewissern, dass es Hannes war, spürte nur den Schmerz eines unendlich großen Verlusts in ihrer Brust und vergaß alle polizeilichen Vorsichtsmaßnahmen beim Betreten eines Ortes, der wie dieser so unübersichtlich und daher voller Gefahren und Hinterhalte war. Schon in der Grundausbildung und auch später im Sondertraining hatte man ihr eingeschärft, zuerst das Terrain zu sichern, persönliche Gefühle zum Schutze anderer beharrlich zu unterdrücken und bis zu diesem Moment war es ihr auch immer vorbildlich gelungen. Aber jetzt? Jetzt hing da einer! Jetzt hing da ihr toter Partner und sie war zu spät gekommen.
    Tränen verschleierten ihren Blick, sie hörte Krautschneiders Warnruf nicht, durchlief diesen endlos scheinenden Raum in unglaublicher Zeit, wollte nur zu Hannes. Eine Bewegung im Dunkeln war zu schnell. Ein Gegenstand – ein Prügel, eine Schaufel, ein Hammer, ein Kolben, irgendetwas – schoss von der Seite auf sie zu, drehte und traf sie mit einer Wucht an der Schläfe, dass ihr Kopf wie in Zeitlupe weggedrückt wurde. Gleichzeitig wurden dadurch ihre Beine noch im Laufen hochgerissen und der enorme Schwung riss sie unbarmherzig nach hinten.
    Unsanft kam sie auf dem harten Boden auf, sah, wie die Stablampe hoch

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