Der Semmelkoenig
an. Es war offensichtlich, dass ihre Frage seine soliden Grundkenntnisse der deutschen Sprache überforderte. Krautschneider sprang ein.
»Meine Kollegin meint, ob es eine Stelle, einen Platz, einen Ort gibt, der besonders wichtig – important – für den Halsabschneider Möller ist. Sie verstehen schon: Möller. Chef! Boss! Böser, alter Mann, der nicht gut bezahlt. Wenig Geld, viel arbeiten! Wo ist also Möller?«
Dieser gekonnte Versuch einer Verständigung half schneller als erwartet. Einer der Männer nickte heftig und flüsterte Lukasz etwas ins Ohr.
»Mateusz meint, Königsaal ist das!«, folgte gleich die Übersetzung.
»Königsaal!«, rief Wolfgang überrascht. »Ja, is der jetzt vollkommen deppert geworden?«
»Naa, des passt schon zu ihm.«
Claudia hatte Lukasz am Arm gepackt.
»Schnell, bringen Sie uns dorthin!«
Drei Minuten später liefen sie, so leise wie möglich, durch die dunkle Vorhalle. Ein Käuzchen rief und zwei der Arbeiter bekreuzigten sich schnell.
»Wie weit ist es noch«, flüsterte Claudia.
»Da. Die Treppe. Dann links. Großer langer korytarz, äh Korridor. Aber Achtung. Viele Steine für Mauer.«
»Gut, dann machen wir jetzt Folgendes.«
Sie winkte alle zu sich heran und ein Kreis wurde gebildet.
»Krautschneider und ich gehen da jetzt hinein. Lukasz und seine Männer bleiben hier unten und passen auf, dass niemand rein oder raus kann. Wolfi, dich würd ich gern draußen beim Auto wissen, falls es doch jemandem gelingen sollte, abzuhauen. Und … Erika?«
Zum Glück ging ihre Ratlosigkeit, wie sie die Kindergärtnerin ohne Risiko einsetzen konnte, im Gewisper der Bauarbeiter unter, denn Lukasz war wie immer vorbildlich am Übersetzen. Leider ließ Erika sich nicht täuschen.
»Ich komm mit euch mit, is doch klar«, kam die resolute Entscheidung.
»Ähm, …«
Claudia seufzte. Da war offensichtlich nichts zu machen. Aber warum auch eigentlich nicht? Erika war vielleicht die Einzige, der es gelingen konnte, Sandra Blum zum Aufgeben zu überreden, wenn Krautschneider und sie wider Erwarten versagen würden. Sie musste nur darauf achten, dass die Erzieherin nicht in die Schusslinie geriet. Aber das war ein Risiko, das hoffentlich als niedrig einzustufen war.
»Gut! Dann wär ja alles geklärt oder gibt’s noch Fragen?«
Ein leises, sehr nach Zustimmung klingendes Gemurmel setzte ein.
»Dann los, jeder auf seinen Posten. Krautschneider! Dienstwaffe!«
Ein leises »Klick« signalisierte, dass diese in Bereitschaft war. Das Befreiungskommando lief die Treppe hinauf, die Bauarbeiter bezogen ihre Posten und Wolfgang schlenderte nach draußen Richtung BMW.
157
»Was is das denn?«, rief Schnabelhuber von der Rückbank.
Vor ihnen war eine Art Campingplatz aufgetaucht. Mehrere Bauwagen waren lieblos auf einer kleinen Lichtung verteilt. Ein großes Lagerfeuer brannte und Maus bekam Angst bei dem Gedanken, was den davorsitzenden Gestalten blühen würde, wenn der Oberförster sie erwischen würde.
»Sieht aus wie ein Zigeunerlager«, vermutete der junge Polizist.
»Naa, is es nicht. Das scheint die Unterkunft von unseren Mechanikern zu sein. Schau doch, die haben angehalten und sind ausgestiegen«, korrigierte Schnabelhuber, aber es war offensichtlich, dass er sich nicht entscheiden konnte, ob er die Zustände entsetzlich finden oder als wahrgewordenen, wildromantischen Jugendtraum sehen sollte.
Der Krankenwagen kam vor ihnen zum Stehen. Maus fuhr langsam daneben und fragte sich, wie es wohl weitergehen sollte. Auf eine Antwort musste er nicht lange warten, denn einer der Männer war an sein Fenster getreten und bedeutete pantomimisch, dass sie aussteigen sollten.
»Na, dann wolln mer mal!«
Maus schälte sich aus seinem Sicherheitsgurt.
»Herr Kommissar!«
Hammer war bereits draußen und hatte sich anscheinend schon mit ein paar Camp-Bewohnern angefreundet.
»Das sind Polen. Hier is einer, der Deutsch spricht.«
Missmutig betrachtete Maus den Mann, der ihm von Hammer entgegengeschoben wurde. Nun gut, dann musste er jetzt wohl verhandeln.
»Okay, das mich freuen. Können Sie zeigen schnellen Weg, wo Baustelle sein? Sie verstehen? Baustelle?«
Maus fragte sich, ob er langsam und deutlich genug gesprochen hatte, denn der Mann sah ihn jetzt ein bisschen komisch an.
»Aber natürlich verstehe ich Sie klar und deutlich, Herr Oberkommissar!«, kam nach einer Weile endlich die Antwort. »Mein Name ist übrigens Lech Piekarz, und wenn Sie so freundlich wären und mir
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