Der Semmelkoenig
krallte sich in seinen Ärmel und sah ängstlich zu Lukasz, der, nachdem er umständlich den Staub von seiner Hose geklopft hatte, jetzt auf sie zukam. »Aber, Sie können mich doch nicht an einen Wildfremden abgeben und hier warten lassen, während dieses Monster noch auf freiem Fuß ist.«
Krautschneider verstand ihre Argumentation offenbar nicht. Schnell drehte sie sich ihm zu, legte die Arme um seine Taille, verschlang ihre Hände auf seinem Rücken, zog ihn fest an sich, presste ihr Gesicht gegen seine Brust, schluchzte leise auf und murmelte in sein Hemd:
»Ich vertraue jetzt nur noch Ihnen, weil ich Sie als tapferen Mann, als meinen Retter, kennengelernt habe. Aber dieser Kerl da …«, sie sprach nun sehr leise und irritiert durch diesen wirklich sehr intimen Körperkontakt hatte Krautschneider große Mühe, sich zu konzentrieren. »Dieser Kerl da hat so was Wildes, Animalisches. Er könnte mich vergewaltigen und ich hätte keine Chance … Bitte, bitte, ich hab doch schon genug durchgemacht!«
Lukasz war nun bei ihnen angekommen und Krautschneider betrachtete ihn misstrauisch. Ja, es wäre durchaus möglich, dass der Mann nach den langen Monaten ohne weibliche Gesellschaft und unter den augenblicklichen Anspannungen die Nerven verlieren könnte und der armen Frau das antat, was sie gerade so düster prophezeit hatte. Natürlich unterstellte er Lukasz keine Bösartigkeit, aber dieser neue Gedanke an ein eventuelles Risiko, eine weitere schwere Straftat, die hinter seinem Rücken verübt werden könnte, während er hier die Stellung halten musste, machte ihn nervös. Er war schließlich allein und konnte nicht überall gleichzeitig sein. Warum konnte nicht endlich mal alles glatt verlaufen? In diesem Augenblick wünschte er sich Ercan und Schuster wieder zurück. Wie gerne würde er jetzt mit den beiden in Möllers Wohnzimmer herumsitzen, trockene, bloß mit einer Scheibe salzigem Schinken oder geschmacklosem Käse belegte Baguettes essen und vielleicht ein bisschen mit Ines flirten, nur um Schuster zu ärgern. Aber nein, er hatte ja unbedingt da weg wollen. Hatte Claudia angefleht, ihn mitzunehmen. Und jetzt drückte die schwere Last der Verantwortung unbarmherzig auf seine Schultern. Er musste sich entscheiden, und zwar schnell. Frau Klöters unangenehme Umklammerung übte noch zusätzlichen Druck aus. Fieberhaft suchte sein Gehirn nach einer Lösung, doch da kam nichts. Er fühlte sich fast wie das dumme Rindvieh auf der nächtlichen Weide. Plötzlich durchzuckte Krautschneider ein Geistesblitz! Aber natürlich! Wolfgang! Wie hatte er den vergessen können?
»Frau Klöter!«, vergeblich versuchte er, ihre Arme zu lockern. »Frau Klöter? Hören Sie mich? Frau Klöter!«
Die Frau war ja ein Krake. Er musste sie so schnell wie möglich loswerden.
»Frau Klöter, der Wolfi! Sie kennen doch den Wolfi Wiesholz vom Kindergarten? Ihr Sohn geht doch dahin, nicht wahr?«
Endlich, sie lockerte etwas ihren Griff.
»Der is zufällig draußen und passt auf das Auto auf. Also, wie wär’s? Würden Sie es schaffen, bei ihm zu bleiben und zu warten, bis alles vorbei ist?«
Sie nickte an seiner Brust. Löste endlich die Arme, senkte den Kopf und murmelte.
»Ja, den Wolfi kenn ich gut. Wenn der da is, dann fühl ich mich auch sicher. Der wird mich nicht bedrängen, mir keine Angst machen und sich mir auch nicht in den Weg stellen.«
»Na, wunderbar«, Krautschneider war sichtlich erleichtert. »Dann bringt Sie der Lukasz jetzt …«
Aber bevor er seine Anweisung zu Ende bringen konnte, hatte sie schon auf dem Absatz kehrt gemacht und war auf den Ausgang zugelaufen.
»Äh, oder Sie gehen dann eben mal allein!«, sagte Krautschneider, während er sie in der Dunkelheit verschwinden sah.
»Frau immer komisch!«, traf Lukasz den Nagel auf den Kopf.
»Sie haben recht. Frauen sind tatsächlich immer komisch. Nehmen Sie es bloß nicht persönlich. Sie weiß ja, wo der BMW steht, und Wolfi kriegt das schon hin. Aber wenn Sie schon mal da sind, dann können Sie mich auch gleich begleiten. Frau Blum ist mir leider entkommen, befindet sich nun auf der Flucht und meine Partnerin ist momentan etwas indisponiert. Also, los Mann, wir müssen uns beeilen. Haben Sie vielleicht eine Waffe? Ich mein, für den Notfall?«
Statt einer Antwort ging Lukasz rasch zu seinem ehemaligen Versteck, bückte sich, hob etwas auf und hielt Krautschneider dann triumphierend eine Axt entgegen.
»Oh, toll!«, sprach der Polizist leise zu sich
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