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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Lächeln umspielte ihre Lippen und der grauenhafte Kaffee schmeckte plötzlich süß und verheißungsvoll. Ihr wurde es sehr warm. Am liebsten hätte sie sich die Bluse aufgeknöpft und dann Wolfgang das Handtuch heruntergerissen. Einzig und allein der energisch unromantische Ton der Türklingel hielt sie von diesem bedeutungsvollen Schritt ab.
    »Mei, mei, als hätt ich heute Tag der offenen Tür!«, brummelte Wolfgang unwirsch und verschwand aus der Küche. Wenige Augenblicke später erschien er mit Hannes Petersen. Eine ungute Stimmung legte sich augenblicklich über die Gesellschaft. Die Gründe waren vielseitig und individuell verständlich: Hannes hatte erwartet, allein auf Wolfgang zu treffen, Erika hatte gehofft, allein mit Wolfgang zu sein, und Wolfgang wollte allein sein. Aus der Ecke hinter den Bierkästen kam ein leises Fiepen.
    »Oh, Mann, Sauli, dich hätt ich ja fast vergessen!«
    Schnell ging Wolfgang zu dem Verhau und machte sich an etwas zu schaffen. Hannes erwachte aus seiner starren Haltung, zwang sich zu einem freundlichen Lächeln und streckte Erika die Hand entgegen.
    »Guten Tag, mein Name ist Petersen und ich arbeite hier für die Kripo. Ich glaube, wir sind uns schon gestern begegnet. Sie sind doch die Leiterin des Waldkindergartens, Frau …«
    »Erika Noller, angenehm Herr Petersen. Ja, ich kann mich auch an Sie erinnern. Was für ein schlimmer Tag.«
    Hannes nickte und blickte sich dann in der kleinen Küche um. Da er keine andere Sitzgelegenheit sah, versuchte er es mit der Fensterbank. Vorsichtig schob er einige Pizzakartons zur Seite, aber als er sah, dass darunter eine klebrige Flüssigkeit ausgelaufen war, zog er es doch vor, angelehnt unter einem schiefhängenden Poster mit einer Frau im Bikini zu stehen. Wolfgang hielt nun ein Meerschweinchen auf dem Arm, das er zärtlich streichelte. Erika seufzte unbewusst auf, denn zu gerne hätte sie mit dem Tier getauscht.
    »Sorry, aber ich hab Sauli zur Pflege von meiner kleinen Nichte bekommen. Leider vergesse ich ihn manchmal. Hm, ich glaub, ich werd mir mal was anziehen und ihn dann füttern. Würden Sie ihn bitte so lange halten?«
    Es war eindeutig Pech, dass Hannes am nächsten stand, sodass ihm nun die Ehre zuteilwurde, das kleine Tier in den Arm gedrückt zu bekommen. Ein Blick auf Erika genügte, um zu sehen, wie enttäuscht sie deswegen war. Misstrauisch blickte Hannes auf das Meerschweinchen, das ihn aus hübschen Knopfaugen kurz ansah, aufquiekte und dann mit unglaublicher Geschwindigkeit im Schutz seiner Armbeuge verschwand. Dort vergrub es den kleinen Kopf in den Stoff der Jacke und es schien belanglos, dass der Rest des kugeligen Körpers noch für jedermann sichtbar war.
    »Soll ich ihn nehmen?«, fragte die Kindergärtnerin, aber Hannes schüttelte den Kopf. Er war gerührt. Das kleine Wesen schien sich bei ihm wohl zu fühlen. Nebenan hörte man Wolfgang rumoren. Wahrscheinlich suchte er in einem Stapel Dreckwäsche nach einer noch halbwegs sauberen Hose.
    »Komme gleich!«, rief er seinen wartenden Gästen durch die Tür zu.
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit!«
    Hannes hatte angefangen, dem kleinen Sauli den Rücken zu streicheln, was auch gleich mit wohligem Fiepen belohnt wurde. Etwas verlegen blickte er Erika an.
    »Hm, in der Zwischenzeit können wir uns ja mal ein bisschen unterhalten! Ich hatte sowieso vor, Sie nachher aufzusuchen. Da trifft es sich ja gut, dass ich mir den Weg sparen kann. Sie haben davon gehört, dass auch Anni Hintersee ermordet wurde?«
    Die Frau nickte kurz.
    »Ja, ich hab es in der Zeitung gelesen«, war die kurze Antwort, bevor sie sich gleich wieder auf ihren Kaffee konzentrierte. Der Illusion eines schönen Tagesverlaufs beraubt, schmeckte dieser wieder so, wie er war. Angewidert verzog sie den Mund.
    »Was möchten Sie wissen?«
    »Nun erst einmal, wie denn so Ihr Verhältnis zu den weiblichen Mitarbeiterinnen Ihres Kindergartens war? Über die Beziehung zu dem männlichen Mitglied konnte ich mir eben schon ein Bild machen!«
    »Es ist nicht so, wie Sie jetzt denken. Wolfi und ich sind nur Freunde. Ich bin lediglich mal kurz vorbeigekommen, um zu sehen, wie es ihm geht. Und um ihm von Anni zu erzählen. Das ist alles!«
    Sie schaute Hannes an. Feindseligkeit lag in ihrem Blick. Und noch etwas: Nervosität. Wie ein Bluthund nahm Hannes die Spur auf und setzte seine psychologische Verhörtechnik fort.
    »Ich wollte Ihnen nichts unterstellen. Aber da ich nun mal ein heterosexueller Mann bin, hat

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