Der Semmelkoenig
wagte es doch tatsächlich, jetzt an ihrem Ohr zu knabbern. Claudia erschauderte vor Ekel und er lachte wieder.
»Du weißt schon, diese Rollenspiele, die du ned mogst. Die Heidi war da voll dabei.«
»Des kann ich mir ned vorstellen. Deine perversen Wünsch hat die dir erfüllt?«
»Claudi, Claudi, des, was ich dir damals vorgeschlagen hab, ham die Heidi und ich schon lang hinter uns gelassen. Wir warn schon ein paar Stufen weiter. Hättest du auch alles haben können, aber du wolltst ja ned!«
»Du meinst, ihr habt da Märchen nachgespielt?«
»Genau so isses«, klang es rau.
Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, schlang die Arme wieder fester um sie. Dass er dabei etwas ins Schwanken kam, war eine Katastrophe, denn dadurch schob er sie erneut nach vorne und Claudia wurde abermals gegen das Geländer gepresst, das zu allem Übel jetzt auch noch anfing, boshaft zu knarren. Im Geiste fluchte sie laut und verdammte gleichzeitig alle Naturschützer, die durchgesetzt hatten, die Absperrung nur mit organischem Material zu bauen. Im Augenblick wäre wenigstens eine solide Stahlkonstruktion ein kleiner Trost gewesen.
»Hmmm, du riechst so gut.«
Jetzt war es amtlich, schoss es ihr durch den Kopf. Georg Möller hat völlig den Verstand verloren. Was sollte sie nur tun? Er war zu unberechenbar. Sie konnte ihre Impulse kaum mehr beherrschen; am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen, hätte in Panik um sich geschlagen und dabei hysterisch um Hilfe gerufen. Ein Blick in die Tiefe vor sich war auch nicht gerade hilfreich. Dort unten hatte das Rotkäppchen gelegen und wenn sie sich nicht bald befreite, würde sie dessen Schicksal teilen müssen. Das Geländer knarzte wieder hässlich. Konzentration – schalt sie sich – Konzentration, und zwar schnell! Was hatte er eben gesagt? Er mochte den Duft ihres Haares? Warum nicht! Dann würde sie jetzt eben mit ihm über Pflegeprodukte plaudern.
»Ja, ich weiß doch, dass des Shampoo dir so gefällt!«
Wunderbar, ihre Stimme hatte kaum gezittert. Jetzt musste sie nur noch einen Hauch Erotik draufpacken.
»Schorschi, du hast mich da jetzt neugierig gemacht. Wie habt’s denn die Märchen so gestaltet?«
Er seufzte etwas wehmütig: »Hm, wir haben sie so nach und nach durchgearbeitet. Schneewittchen war der Burner. Ich glaub, ich hab einen leichten Hang zur Nekrophilie. Sag des aber keinem, gell! Ich muss da an meinen guten Ruf denken!«, er kicherte heiser. »Des letzte war Rotkäppchen. Die Heidi mi’m Cape und Strapsen und ich als Wolf.«
Die Erinnerung an seine heißen Spiele hatte ihn abgelenkt. Sein Griff lockerte sich wieder etwas, Claudia bekam fast wieder Luft. Hoffnung keimte in ihr auf. Diesmal musste es klappen!
»Klingt super!«, kam ihre mechanische Antwort, aber Georg fiel nicht auf, dass sie mit den Gedanken ganz woanders war, denn auch er befand sich jetzt wieder im Schlafzimmer der Jagdhütte. Einen Augenblick sagte niemand mehr etwas. Claudia versuchte, mit langsamen Bewegungen ihre Schultern nach hinten zu drücken, um dadurch den nötigen Freiraum für ihre Füße zu bekommen. Sofort schnaubte Georg ungehalten. Erschrocken nahm sie schnell den Faden wieder auf.
»Erzähl weiter«, ermunterte sie ihn.
»Ich hab sie genommen, wie ich’s noch nie tat«, berichtete er leise. »Sie hat es verdient, die Mistkuh! Aber keine Sorg, ihr hat’s gefallen.«
Ja, das war gut. Die Gedanken an seine Gespielin lenkten ihn wieder etwas ab. Claudia streichelte sanft mit ihrem Daumen über seinen Unterarm. Erstaunt sog er die Luft ein. Die Überraschung über diese plötzliche Zärtlichkeit führte dazu, dass er sich einige Sekunden versteifte. Claudias Handgelenke wurden wieder schmerzhaft zusammengepresst, aber sie hörte nicht auf, was sich auch gleich bezahlt machte, denn er fing an, es zu genießen. Innerlich jubelnd, doch noch seine Schwachstelle gefunden zu haben, säuselte sie: »Erzähl weiter! Das macht mich irgendwie an!«
»Wirklich?«, seine Stimme klang etwas misstrauisch, aber Claudias Streicheleinheiten verfehlten auch weiterhin nicht ihre Wirkung.
»Ihr hat’s also gut gefallen?«
Selbst erstaunt über den Erfolg und ihr unerwartetes Schauspieltalent, packte sie noch einen obendrauf, indem sie nun ihren Kopf an seinem Hals rieb. Er stöhnte leise.
»Und wie, Schnittchen, und wie. Du hättst des alles auch mal mit mir machen solln.«
Claudia erstarrte. Verflixt, jetzt war sie doch etwas zu weit gegangen.
»Hast du ihr denn nicht auf den
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