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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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doch nicht tun? Rasend überschlugen sich ihre Gedanken. Ihr fiel keine Lösung ein und sein teuflisch irres Lachen steigerte ihre Panik noch.
    »Du hast es also gar nicht gewusst?«, flüsterte Georg wütend und sog hörbar die Luft ein. Schon wieder hatte sie es geschafft. Ob bewusst oder unbewusst, ihr starker Charakter, ihre Geradlinigkeit und ihre manchmal sehr selbstgerechte Weltanschauung hatten ihn im Laufe ihrer Beziehung nicht zum ersten Mal zu unüberlegt trotzigen Handlungen und Äußerungen getrieben. Tja, und diesmal war er direkt ins offene Messer gelaufen. Mit einem Ruck zog er sie wieder ein Stück zurück, hielt ihr die Waffe vor die Nase und warf diese dann im hohen Bogen in den Abgrund. Mit einem Plumps landete sie in einem Gebüsch neben dem Wanderpfad und Claudia blickte wehmütig auf die Stelle. Wenigstens war ihr Baby nicht im Wasser gelandet, aber sofort schalt sie sich wegen dieses dummen Gedankens, denn sie würde gleich auch diesen Weg gehen, wenn es ihr nicht gelang, ihn zu beruhigen. Sie bekam fast keine Luft mehr, konnte die Arme nicht bewegen, da er ihre Handgelenke festhielt und sie schon wieder gegen die Absperrung drückte. Obwohl sie es nicht wollte, traten ihr doch die Tränen in die Augen. Ob aus Angst, Enttäuschung oder Wut konnte sie nicht sagen, vermutlich war es von allem etwas. Auch ein Schluchzen konnte jetzt nicht mehr zurückgehalten werden. Sofort lockerte sich Georgs Umklammerung ein wenig.
    »Claudi, nimm’s doch mit dem Seitensprung nicht so tragisch. Ich hab halt was zum Spielen gebraucht. Und wenn’s dir ein Trost is, dann sag ich gleich, dass die Heidi ein regelrecht hinterhältiges Miststück war und sie hat’s verdient, zu sterben. So was könn mer hier nicht brauchen!«
    War er jetzt vollkommen irre? Eigentlich sollte sie die Rolle des ängstlichen kleinen Mädchens weiterspielen, aber dafür hatte sie einfach kein Talent. Zu dumm war seine Erklärung und daher erwiderte sie bissig: »Schorschi, wenn da so jeder denken tät, dann tät keiner mehr in dieser Stadt leben. Also, hör auf, so ’nen Schmarrn zu verzählen. Sag mir einfach, warum? Warum warst so wütend auf des junge Madl, dass du sie hast umbringen müssen?«
    Er sagte eine Weile nichts, schien zu überlegen, lehnte dann seine Stirn gegen ihren Hinterkopf. Claudia spürte einen Würgereiz. Am liebsten hätte sie sich jetzt übergeben, aber sie riss sich zusammen, starrte auf die wunderbare Landschaft vor sich, in den Himmel, konzentrierte sich auf eine hübsche, weiße Wolke, die zart, leicht und langsam vorbeizog, wurde dadurch wieder ruhiger und sprach leise weiter: »Schorschi, jetzt kimm. Des bist doch ned du. So kenn i dich ned. Also, sag schon, warum du’s g’macht hast?«
    Er schwieg immer noch. Aus einem nahen Busch stimmte ein Vogel ein Lied an. Ein Eichhörnchen sprang elegant und rekordverdächtig von einer Fichte zur anderen. In der Ferne bellte ein Hund. Eine kleine Eidechse huschte über ein paar Steine und verschwand raschelnd im Laub. Es war kaum mehr auszuhalten. Claudia versuchte vorsichtig, ihre Hände zu befreien, doch sofort drückte er wieder fester zu. Er war schlau, denn instinktiv knickte er gleichzeitig ihre Kniekehlen ein, damit auch hier keine Möglichkeit bestand, sich durch einen Tritt zu befreien. Verflixt, fluchte die Kommissarin innerlich. Er würde es tun. Er würde sie gleich, ohne mit der Wimper zu zucken, den Wasserfall hinunterstoßen. Sie hatte keine Chance und das war so unfair!
    »Weißt, was ich vor ein paar Tag in der Schublad von meim Vadda gefunden hab?«
    Erleichtert atmete Claudia auf. Er hatte sich also entschlossen, mit ihr zu reden. Vielleicht bestand doch noch etwas Hoffnung?
    »Einen Brief! Einen Erpresserbrief. Wahrscheinlich wisst ihr auch schon längst, dass da jemand war, der an mein Geld, mein Erbe wollt. Du verstehst scho, dass man das nicht tolerieren kann.«
    Sie nickte leicht und er fuhr fort.
    »Den Vadda hab ich drauf angesprochen und der hat gesagt, ich sei zu bled, um da was zu machen. Ich sollt des amol ihm und einem Profi überlassen. Des wird scho wieder!«
    Ja, schoss es Claudia durch den Kopf, das klang eindeutig nach einer klaren Anweisung des Semmelkönigs. Unsensibel delegierte er alles um sich herum und ließ seinen Sohn, wie so oft, spüren, dass er nichts von ihm hielt. Eigentlich konnte Georg ihr leidtun, denn er hatte in den Augen seines Vaters nie eine Chance gehabt.
    »Er hat mir nie was zugetraut!«, fasste Georg

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