Der Sensenmann
»Frau Goldwyn meinte, daß er echt sein könne.«
»Wie echt?«
Der Kommissar blickte die Horror-Oma an. »Wollen Sie es ihm sagen? Ich bin da noch etwas reserviert.«
»Ich habe von einem dämonischen Wesen gesprochen, John. Von einer längst toten Gestalt, die trotzdem noch lebt. Du kennst das ja selbst am besten.«
Da hatte sie recht, und als ich nickte, sprach Uwe Hinz wieder. »Sie meinen, daß es so etwas geben könnte?«
»Das zu glauben oder zu wissen, ist mein Beruf.«
»Klar, das sehe ich ein, Herr Sinclair, obwohl ich es schlecht glauben kann.«
Ich kam auf ein anderes Thema zu sprechen. »Der Tod von Maria Much war nicht der einzige Mordfall, den Sie hier in der Stadt gehabt haben?«
»So ist es.«
»Können Sie da mehr sagen? Ich hörte, daß über die beiden anderen Fälle der Mantel des Schweigens gedeckt wurde.«
»Ja, wir haben die Zeugen vergattert, daß sie nichts der Öffentlichkeit mitteilen. Dieser Sensenmann wurde gesehen, und es sind tatsächlich zwei schreckliche Taten geschehen. Die beiden Mordopfer wurden auf die gleiche Art und Weise umgebracht wie Frau Much.«
»Wer waren sie denn?«
»Harmlose Bürger. In ihrem Leben gab es nichts, was auf ein Mordmotiv hingedeutet hätte. Das haben wir schon überprüft. Für mich sind die beiden ersten Taten sehr willkürlich.« Er räusperte sich und trank einen Schluck Kaffee.
Ich wartete, bis er die Tasse abgesetzt hatte und fragte dann: »Die ersten beiden, haben Sie gesagt. Warum nicht auch die dritte Tat? Verhält es sich da anders?«
Er räusperte sich. »Das hatte ich auch gedacht. Ich meine, daß es willkürlich geschah. Dann aber haben wir das Zimmer der Toten genauer durchsucht und einige Unterlagen gefunden, die mich zum Beispiel stutzig werden ließen, als ich sie las.«
»Unterlagen?« fragte Sarah.
»Sicher.«
»Um was geht es denn da?«
»Ihre Freundin und Bekannte hat sich mit der Vergangenheit dieser Stadt beschäftigt. Aber, und das gebe ich als alter Bamberger auch offen zu, es gab Flecken in der Vergangenheit, die sehr dunkel sind.«
»Was meinen Sie damit?«
Kommissar Hinz schaute Lady Sarah an. »Die Hexenjagd«, sagte er leise.
Sarah Goldwyn schwieg. Nur ihr Gesicht rötete sich leicht. »Damit hat sich Maria Much tatsächlich beschäftigt? Das kann ich kaum glauben, wenn ich ehrlich bin. Sie hätte mir doch davon erzählt.«
»Vielleicht ist sie nicht dazu gekommen«, sagte ich.
»Das ist möglich.«
Ich wandte mich an den Kommissar. »Was hat es denn mit dieser Hexenjagd hier in Bamberg auf sich?«
Er sah aus, als würde er sich für die Vergangenheit schämen und sagte dann: »In dieser sehr katholischen Stadt wurde die Hexenjagd regelrecht zu einem Gewerbe. Man baute im Jahre 1627 am Schönleinplatz extra für die gefangenen Frauen ein Hexenhaus. Es gibt noch alte zeitgenössische Zeichnungen. Sie zeigen ein altes, wuchtiges Steingebäude mit einer reich verzierten Fassade. Es enthielt zwei Kapellen, eine Folterkammer und Zellen für vierzig Hexen. Im Laufe von vier Jahren hat man hier über vierhundert Angeklagte zuerst der Folter und dann dem Tod übergeben. Das Gewerbe war verdammt einträglich. Der Besitz der Angeklagten wurde konfisziert und nach Abzug aller Kosten den Behörden übergeben. So hatten Stadt und Kirche auch etwas davon. Hinzu kam, daß jede Hexe aus Angst noch andere Menschen denunzierte. So konnte die Zahl der Opfer ständig wachsen. Wie gesagt, das passierte auch hier in Bamberg, aber man läßt es lieber aus, wenn man von der Vergangenheit spricht.«
»Und Unterlagen darüber haben Sie bei Maria Much gefunden?«
»Ja.«
»Viele?«
»Kopien alter Schriften. Ich weiß nicht, woher sie sie hat, aber sie waren schon wichtig. Bestimmte Kapitel hat die Frau auch angestrichen. Da ging es um einen besonderen Mann, um einen Hexenjäger, der hier gewütet haben muß.«
»Hatte er einen Namen?«
»Ja, er hieß Ludwig von Thann.«
Ich blickte Sarah an, doch sie schüttelte den Kopf. Sie kannte die Person ebensowenig wie ich.
»Wissen Sie mehr über ihn?«
»Nur soviel, daß er ein Angstmacher war und keine Rücksicht kannte. Er hat die Frauen brutal gefoltert und hat sich, das las ich auch, als unbesiegbar bezeichnet und sogar noch als unsterblich. Damit hat er sich allerdings übernommen. Mochten die hohen geistlichen Herrscher auch jede Grausamkeit unterstützt haben, diese Aussage konnten sie nicht akzeptieren, denn dadurch stellte sich von Thann auf die gleiche Stufe mit
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