Der Sensenmann
erscheinen, damit die Phantasie der Menschen irgendwie recht bekommt. Aber es geht auch anders. Da tritt der Teufel als eleganter Verführer auf, und Menschen von heute sind dafür auch empfänglich. Man kann also sagen, daß er sich angepaßt hat. Der Herr der Hölle ist mit der Zeit gegangen, und sein Ziel ist seit Ewigkeiten gleich. Die absolute Herrschaft zu gewinnen und so viele Menschen wie möglich von Gott wegzulocken. Damit hat er bei manchen nicht einmal große Probleme, so schlimm das auch ist.«
Uwe Hinz strich über sein Haar. »Eigentlich hätte ich Sie jetzt auslachen, dann aufstehen und Weggehen müssen. Ich tue es nicht, worüber ich mich selbst wundere.«
»Ober habe ich Sie überzeugt?«
»Nein, das nicht.«
»Sie werden den Sensenmann sehen«, behauptete Lady Sarah. »Davon bin ich fest überzeugt. Außerdem wissen wir jetzt, wie er heißt. Ludwig von Thann. Man müßte mal im Stadtarchiv nachschauen, John. Vielleicht bekommt man dort mehr über ihn heraus.«
»Das wäre eine Aufgabe für dich, Sarah.«
Die Horror-Oma verzog den Mund. »So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Immer ich.«
»Was willst du sonst?«
»Schon gut, du hast gewonnen.«
Uwe Hinz lächelte ihr zu. »Keine Sorge, Frau Goldwyn, ich werde dort anrufen und Ihren Besuch ankündigen. Der Mann, der das Archiv leitet ist ein Freund von mir. Wir spielen zusammen Karten in einem urgemütlichen Lokal, in dem sich die alten Bamberger noch treffen und man von Touristen verschont bleibt. Das ist nicht das Schlenkerla, sondern das Spezial.« Er schaute jetzt mich an. »Wenn hier alles vorbei und überstanden ist, möchte ich Sie gern auf ein Rauchbier und auf ein kleines Essen dorthin einladen.«
»Sollten wir alles gut überstehen, gem.«
Auch Lady Sarah stimmte zu und erzählte dem Kommissar noch, daß sie in der Nacht vom Hotelzimmer aus diesen Sensenmann noch einmal gesehen hatte.
Hinz zuckte zusammen. »Dann sind Sie in Gefahr, Frau Goldwyn. Oder?« Er schaute mich an.
»Das denke ich auch.«
»Ja, ja«, sagte Lady Sarah. »Macht euch mal nicht in die Hosen, ihr beiden.« Sie deutete nach draußen. »Dort scheint die Sonne, und der Himmel ist blau. Glaubt ihr denn, daß der Sensenmann bei Tageslicht durch die Stadt schleicht?«
»Das nicht gerade«, sagte ich. »Aber du stehst auf seiner Liste, Sarah, sonst hätte er sich dir nicht gezeigt.«
Sie wechselte das Thema. »Was ihr vorhabt, weiß ich nicht. Ich für meinen Teil werde mir ein Taxi nehmen und zum Stadtarchiv fahren. Ich hoffe, daß ich fündig werde.«
»Wir treffen uns dann wieder hier«, sagte ich. »Außerdem stehen wir über Handy miteinander in Verbindung.«
»Das versteht sich, John.« Sie schaute uns an. »Was habt ihr denn jetzt vor?«
»Es liegt an Ihnen, Herr Sinclair«, sagte der Kommissar.
Ich lehnte mich zurück und blickte zur hellen Decke. »Sie haben vorhin von diesem Hexenhaus gesprochen. Klar, daß es nicht mehr steht, aber ich möchte doch gern dorthin, wo es einmal gestanden hat.«
»Zum Schönleinplatz?«
»Genau.«
»Kein Problem«, sagte er.
Sarah verabschiedete sich von uns, weil sie ein Taxi gesehen hatte, das draußen vorfuhr. Der Kommissar schaute ihr nach und schüttelte lächelnd seinen Kopf. »Eine ungewöhnliche Frau, muß ich Ihnen ehrlich sagen. Und das in ihrem Alter.«
»Ja, Sie liegen richtig. Manchmal ist sie mir schon zu ungewöhnlich. Sie hat auch die Gabe, immer wieder in diese Fälle hineinzurutschen und ist schon einige Male nur sehr knapp mit dem Leben davongekommen. Deshalb auch der Kampfname HorrorOma.«
»Warten Sie darauf, daß der Sensenmann Ihnen begegnet, Herr Sinclair?«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
»Und Sie haben keine Angst?«
»Doch – immer. Jeder Mensch hat Angst. Aber ich weiß, wie ich damit umzugehen habe.«
Uwe Hinz atmete tief auf. »Das beruhigt mich, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Wieso?«
»Weil ich schon gedacht habe, hier einem zweiten James Bond gegenüberzusitzen. Aber das war, bevor wir uns kennenlernten, und ich habe Ihrer Freundin gestern abend auch nicht so richtig geglaubt.«
»Und jetzt?«
»Genau das Gegenteil.«
»Danke, Herr Hinz…«
Eigentlich hatte es so kommen müssen. Da war jede Stadt gleich. Dort, wo einmal das Hexenhaus gestanden hatte, breitete sich nun ein Marktplatz aus, um den herum zahlreiche Geschäfte lagen und wo auch ein ziemlicher Betrieb herrschte.
Und man hatte eine Tiefgarage gebaut, in die der Kommissar seinen Wagen
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