Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Instrumentenwechsel während einer Autopsie oder einer Pause das Skalpell nicht auf dem Tisch abzulegen. Stattdessen stecke er es in den rechten Oberschenkel oder Arm des Opfers, „ähnlich einem Schneider, der seine Stecknadeln in ein Nadelkissen sticht“. Das war die sicherste Art, eine Verletzung oder Kontamination zu vermeiden. „Ja, die von mir begutachteten Körper wiesen exakt diese Merkmale auf.“
Nun schaltete sich Floriot ein und wies darauf hin, dass Marcel Petiot während des Medizinstudiums im Anatomiekurs lediglich eine durchschnittliche Zensur erhalten habe.
„Das erstaunt mich“, meinte Paul. „Auf jeden Fall ist das bedauernswert, denn er seziert exzellent.“
„Entschuldigen Sie mal“, empörte sich Floriot. „Sie müssten sagen: ‚Der gesuchte Anatom sezierte exzellent.‘“
Die beiden anderen Forensik-Experten, Dr. René Piédelièvre von der medizinischen Fakultät der Universität und Professor Griffon vom toxikologischen Labor der Polizeipräfektur, sollten am Nachmittag im Zeugenstand erscheinen.
Piédelièvre lobte – wie schon Dr. Paul – Petiots Geschicklichkeit im Umgang mit dem Skalpell. In seinen später erschienenen Memoiren ging er sogar noch weiter und bezeichnete den Arzt als seinen „Kollegen“. Beim Prozess konnte er allerdings mit keiner atemberaubenden Enthüllung aufwarten. Die Leichen seien viel zu „verwest und durch den Löschkalk in Mitleidenschaft gezogen“ gewesen, um konkrete Schlüsse zu ziehen, wie zum Beispiel die Todesursache. Petiot, der sich offenbar Notizen machte, fragte den Zeugen, ob sie nicht die Methode angewandt hätten, die auf dem Verpuppungsstadium von Insekten basierte.
„Ja, die Zweiflügler und Käfer legen ihre Eier in Leichen. Durch das Ausmessen der Larven und einer Begutachtung des Weges, die sie im Gewebe der Leiche zurücklegten, ist es möglich, eine annähernd sichere Einschätzung zu liefern. In diesem Fall haben jedoch der Kalk und das Feuer die Insekten und Insektenspuren vernichtet.“
„Ja, Sie haben eine größere Kenntnis auf dem Gebiet als ich, da ich kein gerichtsmedizinischer Experte bin“, murmelte Petiot. „Zweiflügler und Käfer … hmmm. Das ist faszinierend. Könnten Sie mir mehr darüber erzählen?“ Piédelièvre antwortete, dass dieses Themengebiet in keiner Beziehung zum Fall stehe, woraufhin Petiot zustimmte und den Wissenschaftler zu einem Gespräch nach Ende des Prozesstages einlud, um das Thema vertiefend zu diskutieren.
Professor Griffon sagte nun aus, dass er keinen Nachweis von Gift erbringen konnte. Das bedeutet „allerdings nicht, dass niemals Gift zum Einsatz kam“, erläuterte er und wies auf den kleinen dreieckigen Raum hin, der sich sehr wohl als Gaskammer habe nutzen lassen.
„Da gab es doch einen Spalt von zwei Zentimetern unter der Tür“, widersprach Floriot.
„Man hätte ihn mit Leichtigkeit verschließen können“, antwortete Griffon und nannte einen einfachen Teppich als Beispiel.
„Das ist nur eine Hypothese. Können Sie mir den Teppich vorlegen?“
„Welches Gas wurde denn eingesetzt, falls das überhaupt passiert war?“, wollte Dupin wissen.
„Fast jedes vorstellbare Gasgemisch, außer vielleicht Beleuchtungsgas, denn wir haben dafür nicht die nötige Ausrüstung gefunden.“ Griffon erinnerte das Gericht daran, dass Petiots Wohnung in der Rue Caumartin „einem medizinischen Arsenal ungewöhnlicher Größe“ geglichen habe, mit „einer ungewöhnlich hohen Anzahl diverser Narkotika“.
„Ich habe sie für eine möglichst schmerzfreie Geburtshilfe benutzt“, erklärte Petiot.
„Haben Sie in der Rue Caumartin einen einzigen Giftstoff gefunden?“, fragte der Verteidiger.
„Morphium.“
„Morphium ist kein Gift.“
„Das hängt von der Dosis ab.“
„Haben Sie in der Rue Le Sueur Morphium gefunden?“
„Nein.“
„Ich verstehe“, sagte Floriot. „Kein Gift in der Rue Le Sueur. Keinen Gegenstand, um diese imaginäre Gaskammer luftdicht zu verschließen. Rein gar nichts? Vielen Dank für Ihre Aussage.“
Die Psychiater, die Petiot untersucht hatten, betraten daraufhin den Zeugenstand, darunter Dr. Georges Paul Génil Perrin, dem die Simulationsversuche des Arztes aufgefallen waren, durch die er sich einer Bestrafung entziehen wollte.
„Ich habe Petiot hinsichtlich seiner psychischen Gesundheit examiniert“, leitete Génil Perrin ein, „und habe herausgefunden, dass er mit einer hohen Intelligenz gesegnet ist und einer bemerkenswerten
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