Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Fliegen“, kommentierte Massus Chauffeur das Phänomen. Man hatte sogar schon eine Fernsehkamera aufgebaut, um die Ankunft auf Zelluloid zu bannen.
„Mörder!“ Georgette schrie beim Versuch, sich mit Massu zum Appartement vorzukämpfen, um sich. „Ihr seid die Täter! Ihr giert danach, mich leiden zu sehen!“ Sie sei nur nach Yonne gereist, um ihren Sohn zu sehen, brüllte die verstörte Frau der Menge entgegen.
Nachdem ein von den Beamten beauftragter Schlosser die seit der Durchsuchung verschlossene Tür geöffnet hatte, betraten Massu, Petiot und ein Ermittlerteam die Wohnung. Während die Beamten die Räumlichkeiten erneut durchsuchten, setzte sich Petiot in einen gemütlichen Sessel im Wohnzimmer, das durch alte chinesische Vasen, feinstes Porzellan und edle Wandteppiche Luxus widerspiegelte. Der Kommissar setzte das Verhör fort. „Wie haben Sie hier gelebt?“
„Als gute Bürger der Mittelschicht, die wir nun mal sind“, erwiderte sie in einem wütenden Tonfall, was sich nach Massus Empfinden aber teilweise noch auf die Begegnung mit der feindseligen Presse zurückführen ließ. „Wir haben oft das Theater besucht und sind ins Kino gegangen. Das ist doch, so viel ich weiß, nicht verboten, oder?“ Massu fragte, ob ihr Mann häufig frei hatte. „Offensichtlich“, antwortete sie, obwohl er oft mitten bei einer Vorstellung den Saal verlassen musste.
„Hat er gesagt, wohin er ging?“
„Natürlich zu seinen Patienten.“
„Waren Sie nicht über all die Juwelen und das feine Leinen erstaunt, die Ihr Mann in seinem Fahrradanhänger mitbrachte?“
„Manchmal.“
„Hat er das erklärt?“
„Ja, er erwarb die Güter auf legale Art.“ Sie erzählte von den Käufen bei Drouot, Frankreichs ältestem und bekanntestem Auktionshaus, das 1852 von Napoleon III. gegründet worden war und nur wenige Fußminuten von Petiots Appartement entfernt lag. Sowohl die Auktionatoren als auch die berühmten, in schwarz gekleideten Portiers mit den roten Kragen könnten für ihn bürgen, meinte sie. Petiot habe viel Zeit dort verbracht und zusammen mit Verkäufern in einer Ecke gestanden, um über die Stücke und die Gebote zu reden.
„Und was hat es mit den vielen erotischen Drucken auf sich, die wir fanden?“
„Das ist ganz einfach die Besessenheit eines Sammlers.“
Am Ende der Durchsuchung hatte die Polizei keine Beweise gefunden, um eine Mitschuld Georgettes an den Morden zu belegen. Sie fanden zwar einen fünfkarätigen Diamantring, den sie aber als Geschenk ihres Mannes erklärte. Auf Basis dieses Fundes könnte die französische Polizei sie später des Besitzes von Diebesgut beschuldigen. Zum jetzigen Zeitpunkt hielt Massu eine Anklage jedoch für überflüssig. Er bat sie, eine Tasche zu packen und mit ihm auf die Wache zurückzukehren. Nachdem er sie durch die Menge zum Wagen eskortiert hatte, wunderte sich Massu über die vielen neugierigen Menschen, die unverhohlen durch die Scheiben gafften. Georgette hielt sich daraufhin ein Taschentuch vor das Gesicht. Der Chauffeur musste mehrmals die Hupe betätigen, damit der Mob Platz zur Durchfahrt machte.
Georgette Petiot wurde ins Hôtel-Dieu gebracht, das älteste Krankenhaus der Stadt. Im Schatten von Notre Dame auf der Île de la Cité gelegen, beherbergte es die Kranken und Verwundeten auf strengstens nach Deutschen und Franzosen getrennten Stationen. Darüber hinaus verweilten hier wichtige Zeugen bei Kriminalprozessen. An diesem Ort, so glaubte man, könnte Madame Petiot Fragen beantworten, geschützt vor Reportern, Fotografen, Kamerateams, einer aufgewiegelten Menge oder eventuell sogar Personen, die ihr (oder genauer gesagt Monsieur Petiot) – begründet oder unbegründet – die Schuld für das Verschwinden eines Menschen gaben. Massu hoffte zudem, dass er durch die engmaschige Überwachung seine wohl wichtigste Informationsquelle vor einem möglichen Selbstmordversuch schützen könnte.
Marcel und Georgette Petiot heirateten am 4. Juni 1927 in ihrer Heimatstadt Seignelay. Georgettes Vater, Nestor Lablais, ein ehemaliger Schlafwagenportier einer Bahngesellschaft, besaß in dem Ort eine Gaststätte und Pension, ihre Mutter, Anna Villard Lablais, hatte vor der Hochzeit dort als Zimmermädchen gearbeitet. Als Georgette 14 Jahre alt war, zog die Familie nach Paris, wo ihr Vater das Restaurant Côte d’Or im 7. Arrondissement, in der Nähe der Chambre des Députés, des Parlaments, erwarb. Lablais war schnell unter dem Spitznamen „der lange
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