Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Gebäude Feuchtigkeit eindrang.
Die Frage, ob das alles sei, was er über das Stadthaus wisse, beantwortete er mit einem Ja. Massu sollte schon bald einen guten Grund haben, diese Aussage mit Skepsis zu bewerten.
MEIN MANN SCHENKTE MIR EINE ROSETTE-HALSKETTE, EINEN SOLITÄR-RING MIT EINEM FÜNFKARÄTER, SOWEIT ICH MICH ERINNERN KANN … UND EIN AUS GOLD GEFERTIGTES KREUZ.
(Georgette Petiot)
Z u den Schwierigkeiten, denen die Menschen in Paris angesichts des Mangels an Nahrungsmitteln und Treibstoff ausgesetzt waren, kamen noch die Ausgangssperre, das Verdunklungsgebot, die heulenden Luftschutzsirenen und die ständig zunehmende Gefahr, bei den Deutschen denunziert zu werden, hinzu. „Paris ist vor die Hunde gegangen“, meinte Jean-Paul Sartre. Er verglich die besetzte Stadt mit „leeren Weinflaschen, die im Schaufenster eines Geschäfts standen, das keinen echten Wein mehr anbot“.
Als Reflex auf die missliche Lage galt von nun an für viele Pariser das sogenannte „Système D“, ein landläufiger Begriff für die „Do-It-Yourself“-Mentalität. Die mageren Ressourcen mussten so weit wie möglich gestreckt und mit eigentlich inakzeptablen Substituten ergänzt werden. Kaffee wurde aus Chicorée, Kichererbsen und Eicheln gebraut. Zur Herstellung von Tee behalf man sich mit Apfelschalen und Milch, zu der man verdünnte Magermilch gab. Zigaretten drehte man mit Papier aus Jerusalemartischocken oder Brennnesseln, und von Tomaten zog man nach dem Kochen die Haut ab, um sie länger haltbar zu machen. Zum Abendessen stand häufig dünne Lauchsuppe auf dem Tisch, ergänzt durch ganz neue „Lieblingsgerichte“ wie Steckrüben, die man früher nur als „Kuhfutter“ gekannt hatte. Um dem faden Nachtisch ein wenig Geschmack zu verleihen, reichte man Kastanien, die sehr teuer und schwer zu bekommen waren.
Möhren, Bohnen und verschiedene Gemüsesorten baute man in Blumenkästen auf den Fenstersimsen, auf Dächern und großen öffentlichen Flächen wie den Tuilerien, dem Jardin du Luxembourg und der Esplanade des Invalides an. Kaninchen und Hühner wurden auf Balkonen oder in Besenschränken gezüchtet. Mit den Jahren waren so gut wie keine Tauben mehr in den öffentlichen Parkanlagen zu sehen. Der Präfekt von Paris warnte vor möglichen gesundheitlichen Folgen beim Verzehr von „Katzenbraten“. Während der Besatzung durch die Nazis konsumierten Männer und Frauen nur die Hälfte der Kalorien verglichen mit der Zeit der Wirtschaftkrise in den Jahren 1935 bis 1938. Es ist gut möglich, dass den Franzosen im Vergleich zu den anderen Europäern die wenigsten Lebensmittel zur Verfügung standen.
Im März 1944, als der Winter endlich den Frühling einziehen ließ, beobachtete Massu „das Ballett der Knospen“ auf den Quais, in den Parks und auf den Fenstersimsen. Doch er hatte leider nicht genügend Zeit, das prächtige Spiel der Farben zu genießen. Endlose Sitzungen mit den Leitern der verschiedenen Abteilungen und obersten Ermittlern bestimmten sein Leben. Wie Massu witzelnd bemerkte, wirkte das auf ihn wie ein Ministerrat. „Ich habe dieses Gequassel niemals gemocht. Das ist reine Zeitverschwendung“, ärgerte er sich. Bei den Treffen kam er oft spät, verließ sie früh und schaute ungeduldig auf die Uhr, denn er war voll und ganz mit dem Petiot-Fall beschäftigt.
Nachdem sich Madame Petiot in Massus Büro von ihrer Ohnmacht bzw. fingierten Ohnmacht erholt hatte, bot ihr der Kommissar an, sie zur Wohnung im zweiten Stock der Rue Caumartin zu begleiten. Massu ging als Erster aus dem Büro und wurde von einer Horde Reporter und Fotografen empfangen. Es hagelte förmlich Fragen. „Hat sie gestanden?“, schrie ein Journalist. „Half sie dabei, die Leichen zu entsorgen?“, fragte ein weiterer. „Verhalf sie ihrem Mann zur Flucht?“
„Aber meine Herren“, versuchte Massu die aufgeregte Stimmung zu beschwichtigen. „Mein Sekretär wird Ihnen die Fragen beantworten.“ Als die Meute zum anderen Büro rannte, um nichts von der Pressemitteilung zu verpassen (und wahrscheinlich schon über eine sensationsheischende Schlagzeile nachdachte), flüchtete Massu zusammen mit Madame Petiot den Flur hinunter und schlüpfte in einen Wagen, der schon am Quai wartete.
In der nur wenige Kilometer entfernt gelegenen Rue Caumartin standen ungefähr 100 Schaulustige dicht gedrängt auf den Bürgersteigen und der Straße. Auch hier geiferten Reporter und Fotografen nach einer Story. „Diese Kerle vermehren sich wie die
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