Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
geschehen war, hegten sie keine Absicht, die Balken noch irgendwie weiterzuverwenden. Statt dessen machten sie sich ans Werk, bis zum späten Nachmittag hatten sie einen neuen Balken gefertigt und das Gerüst wieder aufgebaut. Bei Anbruch der Nacht stand das ganze Dachgerüst endlich. Niemand sprach mehr von dem wundersamen Vorfall, zumindest nicht in Throwers Gegenwart, und als er den zersplitterten Stützpfahl suchen ging, konnte er ihn nirgendwo mehr finden.

7. Altar

    Alvin Junior hatte keine Angst, als er den Balken fallen sah, er hatte auch keine Angst, als er zu beiden Seiten neben ihm auf den Boden krachte. Doch als all die Erwachsenen anfingen, Freudentänze zu vollführen, ihn zu umarmen und flüsternd zu ihm sprechen, da bekam er Angst. Erwachsene taten oft so seltsame Dinge.
    Wie Papa, der neben dem Feuer auf dem Fußboden saß und einfach nur die Splitterteile des Stützpfahls musterte, das Holzstück, das unter dem Gewicht des Dachbalkens auseinandergebrochen war und ihn hatte in die Tiefe stürzen lassen. Eigentlich durfte weder Papa noch sonst jemand große alte Splitterstücke und schmutziges Holz ins Haus bringen. Doch heute war Mama genauso verrückt wie Papa. Als er mit den großen alten Holzsplittern aufgetaucht war, hatte sie sich einfach nur vorgebeugt, den Teppich aufgerollt und war Papa aus dem Weg gegangen.
    Na ja, wer Papa nicht aus dem Weg ging, wenn er diesen sonderbaren Gesichtsausdruck hatte, der war auch viel zu dumm, um es zu überleben. David und Calm hatten Glück, sie konnten in ihre eigenen Häuser auf ihren eigenen Lichtungen zurückkehren, wo ihre eigenen Frauen ihnen ein Abendessen kochten, und sie konnten es sich aussuchen, ob sie verrückt werden wollten oder nicht. Die anderen hatten nicht soviel Glück. Wenn Papa und Mama verrückt waren, mußten sie es auch werden. Nicht eines der Mädchen zankte sich mit den anderen, und alle halfen sie, das Abendessen aufzutragen und danach wieder abzuräumen. Wastenot und Wantnot gingen hinaus und hackten Holz und molken die Kühe, ohne einander auch nur in den Arm zu knuffen, ganz zu schweigen von irgendwelchen Ringkämpfen, was für Alvin Junior eine große Enttäuschung war, weil er doch immer gegen den Verlierer ringen durfte. Measure saß einfach nur am Feuer, schnitzte einen großen Löffel für Mamas Kochtopf; er hob nicht einmal den Blick, doch wie alle anderen wartete er darauf, daß Papa wieder er selbst wurde und irgend jemanden anbrüllte.
    Normal verhielt sich heute nur Calvin, der Dreijährige. Das Problem war nur, daß für den normal bedeutete, wie ein Kätzchen auf Mäusejagd hinter Alvin herzuzotteln. Er kam niemals nahe genug heran, um mit Alvin Junior zu spielen oder um ihn zu berühren oder mit ihm zu sprechen. Er war einfach nur da, immer nur am Rande des Geschehens, so daß Alvin immer gerade aufblickte, wenn Calvin den Blick abwandte, oder kurz sein Hemd aufblitzen sah, wenn er sich hinter eine Tür duckte, oder manchmal mitten in der Nacht nur ein Atmen vernahm, das ihm sagte, daß Calvin nicht auf seiner Pritsche lag, sondern direkt neben Alvins Bett stand und ihn beobachtete. Niemandem sonst schien das aufzufallen. Es war schon über ein Jahr her, seit Alvin ihn gebeten hatte, damit aufzuhören. Wenn Alvin Junior jemals gesagt hätte: »Ma, Cally belästigt mich«, hätte Mama einfach nur geantwortet: »Al Junior, er hat kein Wort gesagt, er hat dich nicht angefaßt, und wenn du es nicht magst, daß er so ruhig dasteht, ist das dein Pech, denn mir paßt es gut. Ich wünschte mir wirklich, daß einige meiner anderen Kinder lernen würden, so still zu sein.«
    Alvin überlegte sich, daß nicht etwa Calvin heute normal war, es war lediglich so, daß der Rest der Familie sich seinem gewöhnlichen Grad der Verrücktheit angepaßt hatte.
    Papa starrte unentwegt das gesplitterte Holz an. Dann und wann legte er es so zusammen, wie es vorher gewesen war. Einmal fragte er gedankenverloren: »Measure, bist du sicher, daß du alle Teile mitgebracht hast?«
    Measure erwiderte: »Jedes einzelne Stück, Pa. Ich hätte nicht einmal mehr zusammenbekommen, wenn ich mich hinuntergebeugt und es wie ein Hund aufgeschleckt hätte.«
    Ma hörte natürlich zu. Papa hatte einmal gesagt, daß Ma, wenn sie aufpaßte, mitten im Sturm, während die Mädchen mit dem Geschirr klapperten und die Jungen Holz hackten, auf eine halbe Meile Entfernung noch ein Eichhörnchen furzen hören konnte. Alvin Junior fragte sich manchmal, ob das

Weitere Kostenlose Bücher