Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Er hatte seinen Eid erst vor relativ kurzer Zeit geleistet. Vielleicht erklärte das seinen ungewohnten Gefühlsausdruck und seine Fähigkeit, eine Geschichte so zu erzählen, daß seine Zuhörer innerlich mitgehen konnten.
Nach dem Tod Lord Shetras und des Bluthüters Cerrin fiel in der Sarangrave-Senke an jenem ganzen Tag Regen. Er war eisig und unerbittlich und wirkte sich für das Aufgebot nachteilig aus, denn infolge des geschluckten Flußwassers war Lord Hyrim krank, und der Regen verschlimmerte seinen Zustand. Die Bluthüter vermochten ihm keinerlei Abhilfe zu verschaffen, ihn weder mit Wärme noch mit irgendeinem Regenschutz zu versehen. Als das Floß kenterte, waren alle Decken verlorengegangen. Damit nicht genug der Schäden, die das eklige Wasser des Unflatflusses angerichtet hatte: alle Verpflegung war ungenießbar geworden, außer jener in festverschlossenen Behältern; die Lillianrill -Fackeln waren verdorben und hatten nicht länger die Kraft, sich im Regen zu behaupten; es verdreckte sogar die Kleidung, so daß Lord Hyrims Robe und die Gewänder der Bluthüter nun wie geschwärzt aussahen. Noch ehe der Tag endete, schwanden dem Lord die Kräfte zum Antreiben oder bloß Lenken des Gefährts. Fieber flackerte in seinen Augen, seine Lippen waren blau und bebten vor Kälte. Er saß mitten auf dem Floß und klammerte sich an seinen Stab, wie um ihm Wärme zu entziehen. Im Laufe der Nacht fing er an zu fabeln. Mit einer Stimme, die aus den Strömen von Regen hervorgurgelte, die ihm übers Gesicht rannen, sprach er zu sich selbst wie zu einem Bedränger und Quälgeist, schimpfte und flehte abwechselnd. Zeitweise weinte er wie ein Kind. Sein Delirium war durch und durch grausam und erniedrigte ihn, als sei er ohne Nutzen oder Wert. Und die Bluthüter konnten ihm in keiner Beziehung helfen. Aber kurz vor der morgendlichen Dämmerung versiegte der Regen endlich, der Himmel klärte sich; da befahl Korik, das Floß ans Ufer zu steuern. Obwohl es riskant war, im Dunkeln zu halten, schickte er die Hälfte der Bluthüter in den Dschungel, damit sie Brennholz und Aliantha sammelten. Sobald Sill ihn mit einer Handvoll der Beeren gefüttert hatte, riß der Lord sich soweit zusammen, daß er seinem Stab eine Flamme entlocken konnte. Damit entfachte Korik ein Feuer, das er ungefähr in der Floßmitte unterhielt, es nährte, bis es gleichmäßige Glut verbreitete. Dann schoben die Steuerleute das Floß mit ihren Staken erneut hinaus in die Nacht; man setzte die Fahrt fort.
Im Verlauf desselben Tages verließ das Floß langsam die Sarangrave-Senke. Über etliche Längen hinweg verbreiterte sich der Unflatfluß stetig, seine Gewässer verflachten, sein Flußbett unterteilte sich in eine ganze Anzahl von Fahrrinnen, während immer mehr Inselchen und Sandbänke auftauchten. Diese Rinnen waren tückisch – seicht, durchzogen von Sandbänken, voller fauliger Baumstümpfe und -stämme. Und ringsum veränderte sich allmählich auch der Urwald. Die Vegetation der Sarangrave-Senke wich einer vielfältigeren Flora: hohen, düsteren Bäumen mit Astwerk, das oberhalb kahler Stämme in ausladender Weise nach den Seiten und oben sproß, Farnen aller Art, Hängemoosen, mit dünnen Wurzelfingern an nackten Fels gekrallten Sträuchern, die durch Blätter und Zweige aus dem Fluß zu trinken schienen. Wasserschlangen schlängelten sich dem Floß aus dem Weg. Und der Gestank des Unflatflusses ließ mit der Zeit nach; statt dessen bemerkte man nur noch einen Geruch von angesammeltem feuchten Moder und Abgestandenheit. So gelangte das Trüppchen in den Lebensverschlinger, den Großen Sumpf. Von nun an hielt Korik das Floß in den nördlichen Durchfahrten. Auf diese Weise blieb er in nordöstlicher Richtung – der Richtung zur Wasserkante – und konnte das Herz des Lebensverschlingers meiden. Als der Abend anbrach, erwies es sich als glücklicher Umstand, daß der Himmel frei von Bewölkung war; auf dieser verwundenen Wasserstraße hätte eine sternlose Nacht zur völligen Unterbrechung der Fahrt gezwungen. Aber dies war noch eine weniger schwierige Region des Lebensverschlingers; über dem tiefen Schlamm und Treibsand floß noch reichlich Wasser. Ostwärts, im Herzen des Großen Sumpfs, sank der Wasserspiegel nach und nach bis auf den Grund, so daß es über Dutzende von Längen hinweg in allen Richtungen nichts gab als Schlick, wäßrigen Schlamm, der kaum merklich wanderte und brodelte.
In anderer Hinsicht jedoch blieb das Glück
Weitere Kostenlose Bücher