Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
wie eine Beleidigung. Er mußte seine Knie versteifen, um aufrecht bleiben zu können. Ein kalter Nebel von Abstumpfung und Verzweiflung erfüllte seinen Geist, und er war froh um das Blut, das seine Augen verklebte; es bewahrte ihn davor, den Wegwahrer länger zu betrachten.
»Ur-Lord Covenant«, hörte er durch diesen Nebel Elena sagen, »es ist unvermeidlich, daß wir dir diesen Anblick zumuten. Wir müssen dich davon überzeugen, wie sehr wir deine Hilfe benötigen. Ich bitte dich, vergib uns dies Willkommen im Lande. Die Härte unseres Geschicks läßt uns kaum eine Wahl. Dies arme Geschöpf, Ur-Lord, hat uns zu der Entscheidung bewogen, dich zu uns zu rufen. Seit Jahren wissen wir, daß der Verächter mit aller Kraft seine Vorbereitungen vorantreibt, um gegen das Land zu marschieren, daß die in seiner Prophezeiung genannte Frist zusehends verstreicht. Du selbst hast uns diese Prophezeiung übermittelt, und die Lords waren seitdem nicht müßig. Von dem Tag an, da Lord Mhoram den Stab des Gesetzes und den Zweiten Kreis des Wissens von Kevins Lehre brachte, haben wir danach gestrebt, dem Verhängnis entgegenzuwirken. Wir haben das Kriegsheer vervielfacht, unsere Verteidigung Überprüfungen unterzogen, uns selbst in all unseren Fertigkeiten und Kräften geübt. Einige Nutzanwendungen des Stabes haben wir erlernen können. An der Schule der Lehre hat man mit aller Weisheit und Hingabe den Zweiten Kreis des Wissens erforscht. Aber in diesen vierzig Jahren vermochten wir keine klare Kenntnis von Lord Fouls Absichten zu erlangen. Nachdem der Stab des Gesetzes Seibrich Felswürm entrissen war, schwand des Verächters Gegenwart aus dem Kiril Threndor im Donnerberg und kehrte zurück in den großen Thronsaal zu Ridjeck Thome, Fouls Hort, der uralten Heimstatt des Grauen Schlächters. Und seither sind unsere Kundschafter dazu außerstande gewesen, in Lord Fouls Bereiche vorzudringen. Kräfte waren bei uns wirksam – Kräfte und Übel –, aber wir vermögen darüber nichts in Erfahrung zu bringen, obwohl Lord Mhoram selbst sich dieser Aufgabe verschrieb. Er konnte die verwehrende Macht des Verächters nicht brechen. Doch im ganzen Lande sind dunkle und finstere Regungen beobachtet worden, die uns als Vorzeichen gelten. Kresch aus dem Osten und Urböse vom Donnerberg, Greifen und andere gräßliche Wesen aus der Sarangrave-Senke, Höhlenschrate, wenig bekannte Bewohner des Lebensverschlingers, des Großen Sumpfs – sie alle hat man gesehen, wie sie in die Verwüsteten Ebenen und die Richtung von Fouls Hort zogen. Sie verschwinden hinter den Zerspellten Hügeln und kehren nicht wieder. Es bedarf keiner sonderlichen Weisheit, um zu begreifen, daß der Verächter Heerscharen sammelt. Nichtsdestotrotz mangelt's uns an genauen Kenntnissen. Während des Sommers nun fingen unsere Kundschafter dies Geschöpf hier ein, das entstellte Überbleibsel eines Wegwahrers, das sie am Westrand des Grimmerdhore-Waldes aufgriffen. Sie brachten es uns, auf daß wir von ihm neues Wissen erlangen möchten.«
»Deshalb habt ihr's gefoltert, um herauszufinden, was es weiß.« Covenants Augen waren vom Blut verklebt, und er hielt sie geschlossen, gab sich in der Umnebelung sinnloser Wut hin.
»So etwas traust du uns zu?« Die Stimme des Hoch-Lords verriet Gekränktheit. »Nein. Wir sind keine Verächter. Nie täten wir dem Lande einen solchen Verrat an. Wir haben den Wegwahrer zwar nicht wieder freigelassen, ihn jedoch so nachsichtig wie möglich behandelt. Er hat uns bereitwillig alles mitgeteilt, was wir zu erfahren wünschten. Nun bittet er uns, ihn zu töten. Hör mich an, Zweifler. Dies ist Lord Fouls Werk. Er besitzt den Weltübel-Stein. Mit jenem Übel ist diese Schandtat vollbracht worden.«
Durchs Grau in seinem Verstand vernahm Covenant, daß man die Portale erneut öffnete. Jemand kam die Treppe herunter und flüsterte mit Lord Mhoram. »Hoch-Lord«, meldete sich daraufhin Lord Mhoram zu Wort, »für den Zweifler ist Heilerde gebracht worden. Ich befürchte, seine Wunden gehen weit über diesen leichten Riß in seiner Haut hinaus. Andere Übelkräfte wirken noch in seinem Innern. Er muß ohne Verzug einer Behandlung unterzogen werden.«
»Ja, sofort«, entgegnete in prompter Bestätigung Hoch-Lord Elena. »Wir müssen tun, was wir können, um ihn zu heilen.« Mit gleichmäßigen Schritten näherte Mhoram sich Covenant. Beim Gedanken an die Heilerde stieß sich Covenant vom Steinwall ab und rieb sich das verkrustete Blut aus den
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