Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
drängt. Der Weg ist weit, und wollen wir auf ein Ende hoffen, müssen wir zuvor den Anfang machen.«
»Warte«, rief sie unterdrückt; das Wort klang wie ein ferner Vogelruf.
Hyrim maß sie einen Moment lang mit seinem Blick. Dann kam er zurück zu Covenant. »Sie begehrt Lord Verement, ihren Gemahl, zu sehen, bevor wir aufbrechen«, flüsterte er so leise, daß selbst Covenant es kaum hören konnte. »Mit dem Paar ist's eine traurige Geschichte, Ur-Lord. Ihre Ehe ist überschattet. Beide sind stolz. Gemeinsam suchten sie die Ebenen von Ra auf, um sich den Ranyhyn zur Wahl zu stellen. Und die Ranyhyn ... ach, die Ranyhyn erwählten sie, aber versagten sich ihm. So ist's nun einmal, sie treffen ihre Wahl nach ihrem Willen, und nicht einmal die Ramen wissen ihn zu deuten. Doch zwischen diesen beiden hat ihre Entscheidung nun eine Kluft geschaffen. Bruder Verement ist ein ehrenwerter Mann – aber nun hat er eine Veranlassung, sich unwert zu wähnen. Und Schwester Shetra kann sein Urteil weder bestätigen noch leugnen. Und da ergibt sich nun dieser Auftrag ... rechtmäßig müßte Bruder Verement an meiner Stelle ausziehen, doch des Auftrags Art erfordert die Schnelligkeit und Zähigkeit der Ranyhyn. Schon um Schwester Shetras willen sähe ich lieber statt ihrer dich mit uns reiten.«
»Ich reite keine Ranyhyn«, erwiderte Covenant mit unsicherer Stimme.
»Auf deinen Ruf kämen sie«, antwortete Hyrim. Wieder fühlte sich Covenant zu Einwänden außerstande; er fürchtete, daß Hyrim recht hatte. Die Ranyhyn waren ihm unterworfen; er hatte sie nicht aus dem Gehorsam entlassen. Aber er konnte keines der großen Rösser reiten. Sie hatten sich aus Furcht und Abscheu vor ihm aufgebäumt. Wiederum vermochte er Hyrim nichts zu bieten als seinen Blick stummer Unentschlossenheit. Ein Weilchen später vernahm er vom Eingang zur Festungsstadt Geräusche. Als er sich umwandte, sah er zwei Lords den Hof betreten – Hoch-Lord Elena und einen Mann, den er noch nicht kannte. Elenas Erscheinen machte ihn zittrig; sofort schien die Luft voller Schwingen zu sein, von geierhaften Implikationen zu wimmeln. Aber auch der Mann an ihrer Seite erregte seine Aufmerksamkeit. Unverzüglich begriff er, das war Lord Verement. Der Mann ähnelte Shetra zu stark, um ein anderer sein zu können. Er hatte das gleiche harsche, gestutzte Haar, gleichartige falkenähnliche Gesichtszüge, den gleichen Kniff der Bitterkeit um den Mund. Er kam auf sie zu, als wolle er sich auf sie stürzen.
Aber er blieb drei Meter vor ihr stehen. Seine Augen wichen ihrem scharfen Blick aus; er brachte es nicht über sich, sie direkt anzusehen. »Wirst du ziehen?« fragte er mit gedämpfter Stimme.
»Du weißt, daß ich's muß.«
Daraufhin schwiegen beide. Ungeachtet des Umstands, daß Zuschauer anwesend waren, hielten sie voneinander Abstand. Irgendeine Prüfung der Willenskraft fand zwischen ihnen statt, die keiner Worte bedurfte. Für eine ganze Zeitlang blieben sie stumm und still, als wollten sie Gesten vermeiden, die als Kompromiß oder Einlenken interpretiert werden mochten. »Er verspürte keinen Wunsch, sich zur Verabschiedung einzufinden«, flüsterte Hyrim Covenant zu, »aber der Hoch-Lord hat ihn mitgenommen. Er fühlt sich beschämt.«
Da regte sich Lord Verement. Plötzlich warf er seinen Stab senkrecht Shetra zu. Sie fing ihn auf und warf ihren Stab ihm zu. Er fing ihn seinerseits auf. »Bleib wohlauf, Gemahlin«, sagte er trostlos matt.
»Bleib wohlauf, Gemahl«, lautete ihre Antwort.
»Nichts wird für mich wohl sein, bis du zurückkehrst.«
»Und nichts für mich«, entgegnete sie leise, aber mit Nachdruck. Ohne ein weiteres Wort machte er auf dem Absatz kehrt und eilte zurück in die Festungsstadt. Einen Moment lang sah sie ihm nach, dann drehte sie sich ebenfalls um und lenkte ihre Schritte vom Hof in den Tunnel. Korik und die übrigen Bluthüter folgten ihr. Binnen kurzem war Covenant mit Hyrim und Elena allein im Hof.
»Wohlan, Hyrim«, sagte der Hoch-Lord sanftmütig, »du mußt deine Bürde auf dich laden. Ich bedaure, daß sie dir so schwer werden muß.«
»Hoch-Lord ...«, begann Hyrim.
»Aber du bist fähig, sie zu tragen«, ergänzte der Hoch-Lord. »Du hast noch nicht einmal damit angefangen, das Maß deiner wahren Kraft voll zu nutzen.«
»Hoch-Lord«, sagte Hyrim, »ich habe Ur-Lord Covenant gebeten, er möge uns begleiten.«
Elena erstarrte. Covenant fühlte eine Welle von Anspannung von ihr ausgehen; sie schien plötzlich
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