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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Abenteuer, einem heldenhaften Streich.
    In dem überfüllten Gasthaus mußten sie sich ein Zimmer mit zwei anderen Reisenden teilen, aber Elfenbeins Gedanken waren vollkommen keusch, obwohl er deshalb ein wenig über sich selbst lachte.
    Am nächsten Morgen pflückte er einen Kräuterzweig aus dem Küchengarten des Gasthauses und verzauberte ihn zu einem stattlichen Stab, kupferbeschlagen und genau von seiner Größe. »Was ist das für ein Holz?« fragte Drachenkind fasziniert, als sie ihn sah, und als er lachend antwortete: »Rosmarin«, lachte sie auch. Sie schlenderten am Kai entlang und fragten nach einem Schiff Richtung Süden, das einen Magier und seinen Lehrling mit zur Insel der Weisen nehmen könnte, und fanden wenig später ein schweres Handelsschiff nach Wathort, dessen Kapitän den Magier umsonst und seinen Lehrling zum halben Preis beförderte. Selbst der halbe Preis war das halbe Käsegeld, aber sie kamen in den Vorzug einer Kabine, denn die Seeotter war ein gedeckter Zweimaster.
    Als sie mit dem Kapitän sprachen, fuhr ein Wagen am Pier vor, und sechs altbekannte Fässer wurden ausgeladen. »Das sind unsere«, sagte Elfenbein, worauf der Kapitän erwiderte: »Für Hort bestimmt«, und Drachenkind leise sagte: »Von Iria.«
    Da sah sie zum Land zurück. Es war das erste Mal, daß er sie je einen Blick zurückwerfen sah.
    Der Wetterwirker des Schiffs kam kurz vor dem Auslaufen an Bord, kein Magier von Roke, sondern ein wettergegerbter Bursche im abgetragenen Seemantel. Elfenbein schwenkte den Stab ein wenig, um ihn zu grüßen. Der Zauberer sah ihn von oben bis unten an und sagte: »Ein Mann wirkt Wetter auf diesem Schiff. Wenn ich es nicht bin, verschwinde ich.«
    »Ich bin lediglich Passagier, Meister Handlungsreisender. Die Winde überlasse ich gern Ihren Händen.«
    Der Zauberer sah Drachenkind an, die stocksteif daneben stand und schwieg.
    »Gut«, sagte er, und das war das letzte Wort, das er mit Elfenbein wechselte.
    Während der Reise unterhielt er sich jedoch mehrmals mit Drachenkind, was Elfenbein ein wenig nervös machte. Ihre Unwissenheit und Vertrauensseligkeit konnten sie in Gefahr bringen, und damit auch ihn. Worüber hatten sie und der Handlungsreisende gesprochen? fragte er, worauf sie antwortete: »Was aus uns werden soll.«
    Er sah sie an.
    »Aus uns allen. Aus Weg und Felkweg und Havnor und Wathort und Roke. Aus allen Bewohnern der Inseln. Er sagt, als König Lebannen letzten Herbst gekrönt werden sollte, hat er nach dem alten Erzmagier auf Gont geschickt, damit der ihn krönen sollte, und er wollte nicht kommen. Und es gab keinen neuen Erzmagier. Also hat er sich die Krone selbst aufgesetzt. Aber viele sagen, das ist falsch und sein Anspruch auf den Thron nicht rechtens. Aber andere sagen, der König selbst ist der neue Erzmagier. Doch er ist kein Zauberer, nur ein König. Darum behaupten andere, die dunklen Jahre werden wiederkommen, als es keine Gesetze gab und die Magie mit bösen Absichten eingesetzt wurde.«
    Nach einer Pause sagte Elfenbein: »Das alles sagt dieser alte Wetterwirker?«
    »Ich glaube, das wird allgemein gesagt«, entgegnete Drachenkind in ihrer ernsten, schlichten Art.
    Der Wetterwirker verstand immerhin sein Handwerk. Die Seeotter segelte geschwind nach Süden; sie gerieten in sommerliche Regenschauer und rauhen Seegang, aber nie in einen Sturm oder widrigen Wind. Sie legten an und nahmen Fracht in den Häfen an der Nordküste von O an Bord, in Ilien, Leng, Kamery und O Port, und dann segelten sie nach Westen, um die Passagiere nach Roke zu bringen. Und im Angesicht des Westkurses wurde Elfenbein ein wenig flau im Magen, denn er wußte nur zu gut, wie Roke bewacht wurde. Weder er noch der Wetterwirker würden irgend etwas gegen den Wind von Roke ausrichten können, falls er gegen sie wehte. Und falls er das tat, würde Drachenkind nach dem Warum fragen. Warum wehte der Wind gegen sie?
    Es freute ihn zu sehen, daß auch der Zauberer nervös war, der beim Steuermann stand und einen Ausguck im Topp sitzen hatte, um bei einem Hauch von Westwind die Segel einzuholen. Aber der Wind wehte konstant von Norden. Er brachte ein Gewitter mit sich, und Elfenbein ging in die Kabine, aber Drachenkind blieb an Deck. Sie hatte Angst vor dem Wasser, hatte sie ihm erzählt. Sie konnte nicht schwimmen; sie sagte: »Es muß schrecklich sein, zu ertrinken! Keine Luft zu atmen . . .« Sie erschauerte bei dem Gedanken. Es war das einzige Mal, daß sie Furcht vor etwas erkennen

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