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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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noch, da die schwierige Aufgabe noch nicht vollendet ist. Ich nehme an, zu meinen Lebzeiten werde ich es nicht mehr erleben. Werden sie Schätze finden, die das Feenvolk zurückgelassen hat? Oder vielleicht nur die gebrechlichen Knochen dieser uralten Wesen?
    Auch ohne all das, was in jener schicksalsträchtigen Nacht passiert ist, würde mich der Engelsturm heimsuchen, so wie er diese große Festung und sämtliches Land unter seinem langen Schatten heimsucht. Ich glaube, kein Sterblicher wird jemals all seine Geheimnisse ergründen.
    Einst, vor langer Zeit, träumte ich, daß ich die Engelsfigur selbst von meinem Stiefvater überreicht bekam, um sie zu reinigen, aber sosehr ich es versuchte, ich konnte den schwarzen Belag nicht von ihren Gliedern und dem Gesicht abschrubben. Er sagte zu mir, daß es nicht meine Schuld sei, daß Gott mir die Kraft gegeben hätte, wenn Er wirklich wollte, daß das Gesicht des Engels zu sehen wäre, aber ich weinte dennoch ob meines Unvermögens.
     
    Ich ging von der Eingangshalle zu der Stelle, wo der Boden in gewaltigen geborstenen Trümmern abfiel, und versuchte mir vorzustellen, was Steine derart gründlich zerschmettern und den Turm als Ganzes dennoch unversehrt stehen lassen konnte. Es war nicht leicht, meinem Stiefvater und meinem Liebsten auf ihrem Weg zu folgen, aber ich stieg das Geröll hinab, wobei ich mich vornüberbeugte und die Kerze abstellte, damit ich beide Hände frei hatte. Ich wünschte mir nicht zum letztenmal, ich hätte etwas anderes als meine weichen Schuhe angezogen. Ich kletterte immer weiter nach unten, stieß mir die Füße wund und zerriß mein Kleid an mehreren Stellen, bis ich den Wirrwarr kleinerer Steintrümmer erreichte, der den Boden bildete, mindestens das Halbdutzendfache meiner eigenen Körpergröße unter der Ebene des Inneren Zwingers. Inmitten dieses Trümmerfelds klaffte ein großes, schwarzes Loch, größer als alle anderen, ein zerklüfteter Mund, der darauf wartete, mich zu verschlucken. Als ich mich ihm knirschend näherte, hörte ich Stimmen aus der Tiefe emporschweben, die den anderen gehören mußten, auch wenn sie sich fremd in meinen Ohren anhörten.
    Weitere Steine waren beiseite geräumt worden, so daß der Zugang zur Treppe freigelegt war, eine weiß glänzende Lippe mit Stufen darin, die im Schatten verschwanden. Eine andere Stimme tönte lachend herauf. Sie gehörte niemandem, den ich kannte.
    Trotz allem, was sich an den vergangenen Tagen zugetragen hatte, hatte ich mich zuvor nicht so ängstlich gefühlt, aber ich wußte, Tellarin war da unten, an den dunklen Orten. Ich machte das Zeichen des Baums über der Brust und trat auf die Treppe.
     
    Zuerst konnte ich keine Spur von ihnen finden.
    Als ich hinabstieg, bewirkte das Licht meiner einzelnen Kerze nur, daß die Treppe noch mehr wie eine dunkle Kehle wirkte, die nur darauf wartete, mich zu verschlingen, aber Furcht allein konnte mich nicht von meinem Liebsten fernhalten - wenn überhaupt, spornte sie mich zur Eile an. Ich hastete nach unten, bis ich den Eindruck hatte, ich müßte so tief unter dem Schloß sein, wie der Engelsturm darüber aufragte, hatte sie aber noch immer nicht eingeholt.
    Ich weiß nicht, ob es ein Streich des Schalls war oder an den Winden lag, die angeblich durch die Höhlen der Felsklippen über dem Königsee wehen sollen, jedenfalls hörte ich weiter unbekannte Stimmen. Wenn mir nicht das flackernde Licht der Kerze verraten hätte, daß die Treppe einsam und verlassen war, wäre ich überzeugt gewesen, ich hätte die Person, die mir zuflüsterte, mit ausgestreckter Hand berühren können. Die Stimmen murmelten und sangen manchmal in einer sanften, wehmütigen Zunge, die ich nicht verstand, nicht einmal kannte.
    Ich wußte, ich hätte zu große Angst haben sollen, um zu bleiben, ich hätte umkehren und zurück ins Mondlicht und in die klare Luft fliehen müssen, aber auch wenn das körperlose Flüstern mich mit Bangen erfüllte, spürte ich nichts Böses darin. Wenn es Geister waren, wußten sie vermutlich nicht einmal, daß ich hier war. Es war, als würde die Burg Selbstgespräche führen wie ein alter Mann, der am Kamin sitzt und selbstvergessen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten nachhängt.
    Die Treppe mündete in einen breiten Absatz mit offenen Türen an beiden Enden, und ich mußte unwillkürlich an die Türen denken, die in dem Buch meines Stiefvaters erwähnt wurden. Während ich stehenblieb und überlegte, welchen Weg ich einschlagen

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