Der siebte Schrein
geritten wurde. Der große braune Hengst war nicht mehr so schnell und ausdauernd wie früher, hatte aber noch seine leuchtenden Augen und seinen wilden Kampfgeist und war wertvoller als alles andere, was Dunk besaß. Wenn ich Donner und den alten Braunen und die Sättel samt Zaumzeug verkaufen würde, bekäme ich genug Silber, um . . . Dunk runzelte die Stirn. Das einzige Leben, das er kannte, war das eines Heckenritters, der von Festung zu Festung ritt, sich in die Dienste dieses und jenes Lords stellte, an ihrem Kämpfen teilnahm und in ihren Sälen aß, bis der Krieg vorüber war, und dann weiterzog. Von Zeit zu Zeit fanden auch Turniere statt, wenn auch immer seltener, und er wußte, daß manche Heckenritter in strengen Wintern zu Räubern wurden, aber der alte Mann hatte das nie getan.
Ich könnte einen anderen Heckenritter suchen, der einen Knappen braucht, um seine Tiere zu versorgen und seinen Kettenpanzer zu reinigen, dachte er, oder vielleicht könnte ich in eine Stadt gehen, nach Lannisport oder King´s Landing, und der Stadtwache beitreten. Oder aber . . .
Er hatte die Habseligkeiten des alten Mannes unter einer Eiche aufgestapelt. In dem Leinenbeutel befanden sich drei Silbermünzen, neunzehn Kupferpfennige und ein gesplitterter Granat; der größte Teil seines weltlichen Besitzes hatte, wie bei den meisten Heckenrittern, aus seinem Pferd und seinen Waffen bestanden. Dunk besaß nun ein Panzerhemd aus Ketten, von dem er tausendmal den Rost abgekratzt hatte. Einen eisernen Halbhelm mit breitem Nasenschutz und einer Delle an der linken Schläfe. Einen Schwertgürtel aus rissigem braunem Leder und ein Langschwert in einer Scheide aus Holz und Leder. Einen Dolch, eine Rasierklinge, einen Wetzstein. Beinschienen und Halsberge, eine zweieinhalb Meter lange Gefechtslanze aus gedrechseltem Eschenholz mit einer schrecklichen Spitze aus Eisen und einen Eichenschild mit einem zerschrammten Metallrand und dem Wappen von Ser Arlan von Pennytree: ein geflügelter Kelch, Silber auf Braun.
Dunk betrachtete den Schild, hob den Schwertgürtel auf und sah wieder den Schild an. Der Gürtel war für die knochigen Hüften des alten Mannes gemacht. Er würde ihm selbst nie und nimmer passen, sowenig wie die Halsberge. Er band die Scheide an ein Stück Hanfseil, knotete es um die Taille und zog das Langschwert.
Die Klinge war gerade und schwer, guter, im Schloß geschmiedeter Stahl, der Griff mit weichem, über Holz gespanntem Leder, der Knauf aus glattem, poliertem schwarzem Stein. So schlicht es war, das Schwert lag ihm gut in der Hand, und Dunk wußte, wie scharf es war, da er es viele Nächte mit Wetzstein und Öltuch bearbeitet hatte, bevor sie schlafen gingen. Es liegt mir so gut in der Hand wie ihm, dachte er bei sich, und in Ashford findet ein Turnier auf dem Wasen statt.
Leichtfuß hatte einen ruhigeren Gang als der alte Braune, aber Dunk war dennoch wund und müde, als er vor sich das Gasthaus erblickte, ein hohes Fachwerkgebäude am Flußufer. Das anheimelnde gelbe Licht, das aus den Fenstern strahlte, sah so einladend aus, daß er nicht daran vorbeireiten konnte. Ich habe drei Silberstücke, dachte er bei sich, genug für eine gute Mahlzeit und soviel Bier, wie ich trinken kann.
Als er abstieg, kam ein nackter Knabe tropfend aus dem Bach und trocknete sich mit einem grob gewirkten braunen Mantel ab. »Bist du der Stallbursche?« fragte Dunk ihn. Der Junge schien nicht älter als acht oder neun zu sein, ein Knochengestell mit blassem Gesicht, die Füße bis zu den Knöcheln schlammverkrustet. Sein Haar war das Merkwürdigste an ihm. Er hatte keines. »Ich möchte, daß mein Zelter gestriegelt wird. Und Hafer für alle drei. Kannst du dich um sie kümmern?«
Der Junge sah ihn dreist an. »Ich könnte. Wenn ich wollte.«
Dunk runzelte die Stirn. »Das lasse ich mir nicht bieten. Ich bin ein Ritter, mußt du wissen.«
»Du siehst nicht wie ein Ritter aus.«
»Sehen alle Ritter gleich aus?«
»Nein, aber sie sehen auch nicht wie Ihr aus. Euer Schwertgürtel ist aus Seil gemacht.«
»Solange er die Scheide hält, genügt er. Und jetzt kümmere dich um meine Pferde. Du bekommst ein Kupferstück, wenn du es gut machst, und einen Ohrfeige, wenn nicht.« Er wartete nicht ab, wie der Stallbursche darauf reagierte, sondern wandte sich ab und drängte sich zur Tür hinein.
Er hatte damit gerechnet, daß das Gasthaus um diese Zeit brechend voll sein würde, aber der Schankraum war so gut wie leer. Ein junger
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