Der siebte Schrein
Marionettenvorstellung gesehen, aber die haben sich ganz ruckartig bewegt. Deine sind viel geschmeidiger.«
»Danke«, sagte sie höflich zu dem Jungen.
Dunk sagte: »Und deine Figuren sind schön geschnitzt. Besonders der Drache. Eine furchteinflößende Bestie. Macht ihr sie selbst?«
Sie nickte. »Mein Onkel schnitzt. Ich bemale sie.«
»Könntest du mir etwas malen? Ich habe Münzen, um dich zu bezahlen.« Er nahm den Schild von der Schulter, drehte ihn um und zeigte es ihr. »Ich muß etwas über diesen Kelch malen lassen.«
Das Mädchen sah den Schild an, dann ihn. »Was möchtet Ihr gemalt haben?«
Darüber hatte Dunk noch nicht nachgedacht. Wenn nicht der geflügelte Kelch des alten Mannes, was dann? Sein Kopf war leer. Dunk der Blödian, dumm wie Bohnenstroh. »Ich weiß nicht . . . ich bin nicht sicher.« Seine Ohren wurden rot, stellte er kläglich fest. »Du mußt mich für einen kompletten Narren halten.«
Sie lächelte. »Alle Männer sind Narren, und alle Männer sind Ritter.«
»Was für Farben hast du?« fragte er und hoffte, das würde ihn auf eine Idee bringen.
»Ich kann Farben mischen und jeden Farbton bekommen, den Ihr wünscht.«
Das Braun des alten Mannes war Dunk stets zu düster vorgekommen. »Das Feld sollte die Farbe des Sonnenuntergangs haben«, sagte er plötzlich. »Der alte Mann hat Sonnenuntergänge gemocht. Und das Symbol . . .«
»Eine Ulme«, sagte Ei. »Eine große Ulme, wie die am See, mit einem braunen Stamm und grünen Ästen.«
»Ja«, sagte Dunk. »Das würde gehen. Eine Ulme . . . aber mit einer Sternschnuppe darüber. Kannst du das malen?«
Das Mädchen nickte. »Gebt mir den Schild. Ich male es noch heute abend, und Ihr könnt ihn morgen zurückhaben.«
Dunk gab ihn ihr. »Man nennt mich Ser Duncan den Hohen.«
»Ich bin Tanselle«, sagte sie lachend. »Tanselle Zu-Hoch, haben die Jungs mich genannt.«
»Du bist nicht zu hoch«, stieß Dunk hervor. »Du bist genau richtig für . . .« Er merkte, was er im Begriff war zu sagen, und errötete heftig.
»Für?« sagte Tanselle und legte fragend den Kopf schief.
»Marionetten«, sagte er lahm.
Der erste Tag des Turniers dämmerte strahlend und klar. Dunk kaufte einen Sack voll Lebensmittel, so daß sie Gänseeier, Röstbrot und Speck zum Frühstück essen konnten, aber als das Essen zubereitet war, stellte er fest, daß er keinen Appetit hatte. Sein Bauch fühlte sich hart wie ein Brett an, obwohl er wußte, daß er heute nicht reiten würde. Das Recht der ersten Herausforderung ging an Ritter von höherer Geburt und größerem Ruhm, an Lords und ihre Söhne und die Sieger anderer Turniere.
Ei schwatzte während des ganzen Frühstücks und erzählte von diesem Mann und jenem Mann und wie es ihnen wohl ergehen mochte. Er hat mich nicht auf den Arm genommen, als er sagte, daß er jeden guten Ritter der Sieben Königreiche kennt, dachte Dunk wehmütig. Er fand es demütigend, daß er den Worten eines dürren Waisenjungen so gebannt lauschte, aber Eis Wissen konnte ihm zugute kommen, sollte er einem dieser Männer im Turnier gegenüberstehen.
Der Wasen war eine brodelnde Masse von Menschen, die alle versuchten, sich nach vorne zu drängeln, damit sie besser sehen konnten. Dunk war so gut im Drängeln wie alle anderen und größer als die meisten. Er zwängte sich bis zu einer sechs Meter vom Zaun entfernten Anhöhe durch. Als Ei sich beschwerte, daß er nichts als Ärsche sehen konnte, setzte Dunk den Jungen auf seine Schultern. Auf der anderen Seite des Felds fanden sich die hochgeborenen Lords und Ladies, ein paar reiche Leute aus der Stadt und zwanzig Ritter, die beschlossen hatten, heute nicht anzutreten, auf der Zuschauertribüne ein. Von Prinz Maekar sah er keine Spur, aber er erkannte Prinz Baelor an Lord Ashfords Seite. Sonnenlicht funkelte golden von der Schulterspange, die seinen Mantel hielt, und der schmalen Krone um seine Schläfen, aber ansonsten kleidete er sich weitaus schlichter als die meisten Lords. Er sieht mit diesem dunklen Haar eigentlich nicht wie ein Targaryen aus. Dunk machte Ei gegenüber eine entsprechende Bemerkung.
»Man sagt, er geriet nach seiner Mutter«, erinnerte der Junge ihn. »Sie war eine Dornische Prinzessin.«
Die fünf Kämpen hatten ihre Zelte am nördlichen Ende des Geländes errichtet, so daß sie den Fluß hinter sich hatten. Die beiden kleinsten waren orangerot, die Schilder, die davor hingen, zeigten Sonne und Winkel auf weißem Grund. Das mußten die von
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