Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten
Name, der beiläufig in einer Geschichtsstunde gefallen war, mehr nicht.
Zicka blieb stehen, als würde er erwarten, dass Tal noch mehr Fragen stellte, doch der Junge wurde durch einen plötzlich Schrei von Milla erlöst.
„Der Berg! In Fahrtrichtung voraus!“
Tal stand erschöpft auf und sah Richtung Bug. Vor ihnen ragte tatsächlich ein grauer Berg zwischen den Kanälen und Inseln hervor. Doch er war noch ein gutes Stück entfernt, mindestens ein paar Stunden Fahrt.
„Da ist er also“, sagte Tal. „Weißt du, ob der Berg bewacht ist?“
„Nein“, sagte Zicka. „Ich weiß nur, was der Kodex beschlossen hat, mit meinem Vorderhirn zu teilen.“
„Deinem was?“
„Meinem Vorderhirn“, sagte Zicka und tippte an eine Beule zwischen seinen runden Augen. „Kurshken haben zwei Gehirne. Das Vorderhirn ist das tierische Hirn, doch wir haben auch das ,rorquialosschurr‘ oder Hinterhirn. Der Kodex kann seine Gedanken in mein Vorderhirn projizieren und über mein Hinterhirn mit ihm kommunizieren oder ich kann ihm gestatten, über das Vorderhirn meine Stimme zu benutzen.“
Tal versuchte ein Schaudern zu unterdrücken. Die Vorstellung, zwei Gehirne zu haben, gefiel ihm überhaupt nicht. Was wäre, wenn eines davon mit dem anderen nicht einig war?
„Es könnte also Wachen geben“, sagte Tal. „Obwohl ich eigentlich davon ausgehe, dass derjenige, der den Kodex dort versteckt hat, nicht erwarten würde, dass jemand an Hazrors Flöte gelangt.“
„Ob diese Wachen nun dort sind oder nicht: Wenn sich der Berg des kalten Steins bewegt, werden es bald alle Aenirer wissen“, sagte Zicka. „Ihr müsst bereit sein zu fliehen, sobald ihr den Kodex habt.“
„Wir werden ihn mit zurück zum Schloss nehmen“, stimmte Tal dem Kurshken zu. „Aber ich muss noch einen Ort finden, von dem aus der Übertritt sicher ist. In welcher Richtung liegt die Enklave der Erwählten?“
„Im Süden“, sagte Zicka. „Zu Fuß ist es eine Reise von ein paar Tagen. Musst du dort hingehen?“
Tal schüttelte den Kopf.
„Nein. Aber ich muss an einem Ort sein, den ich kenne. Wenn die Enklave mehrere Tage im Süden liegt, bedeutet das dann, dass der Versunkene Steinkreis irgendwo hier in der Nähe ist?“
„Ja, im Südosten. Du könntest es vielleicht bis zum Sonnenuntergang dorthin schaffen. Aber dieser Ring aus Steinen ist nach Einbruch der Dunkelheit kein besonders sicherer Ort.“
„Ja“, stimmte Tal zu. „Aber ich war schon ein paar Mal beim Versunkenen Steinkreis und daher kenne ich ihn gut genug, um ihn als Ort des Übertritts zu nutzen.“
Er sah hinüber zum Bug, wo Milla stand. Sie schützte ihre Augen mit der Hand und beobachtete den Fluss und den Berg vor ihnen. Trotz der Sonne warf sie keinen Schatten.
„Ich sollte… wohl meinen Frieden mit Milla machen“, sagte Tal, als er den Sonnenschein auf Deck anstarrte. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ihr das angetan hatte, was er ihr angetan hatte, wenn er es auch niemals zugeben würde.
Er ging langsam zu ihr, wobei er immer auf das Merwin-Horn-Schwert an ihrer Seite achtete. Er kannte ihre schnellen Reflexe. Als er vier oder fünf Spannen entfernt war und noch außerhalb der Reichweite eines plötzlichen Hiebes, blieb er stehen.
Einen Moment später drehte sich Milla zu ihm um. Er sah den Hass in ihren Augen und zuckte zusammen.
„Milla“, sagte er und war sich nicht bewusst, dass er die Arme zu ihr ausgestreckt hatte, so als wollte er sie um etwas bitten. „Ich… wollte sagen…“
„Deine Worte bedeuten mir nichts“, erklärte sie. „Sie sind wie der Nebel, der vom Schiff verdrängt wird, die Eisstücke unter meinen Kufen, das Blut, das von altem Selski-Fleisch tropft.“
Tal schluckte. Es war alles noch schwieriger, als er angenommen hatte. Er konnte es nicht glauben, dass er sich bei einer Fremden entschuldigen wollte. Dabei fühlte er sich eigenartig unterlegen, wie er so vor ihr stand. Sie erschien ihm irgendwie größer als sonst und der Sonnenstein an ihrem Finger leuchtete gleißend im Sonnenlicht, genauso wie das Schwert aus Merwin-Horn. Sie sah wie eine Erwählte aus einer Legende aus.
„Es… es tut mir Leid“, sagte Tal. Er zitterte beim Sprechen und in seinen Augen glitzerten Tränen. Tränen, die mehr aus Wut und Schuld liefen als aus Sorge. „Ich wusste nicht… ich hatte keine andere Wahl… mein Vater hat mich gebeten, dass ich mich um die Familie kümmere, dass ich alles unternehme, um ihre Sicherheit zu
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