Der siebte Turm 06 - Der violette Sonnenstein
zu machen, dass sie am oberen Ende des Schachtes mit etwas zusammenstoßen und in Stücke gerissen werden könnten – wie ein Eisschiff, das unter vollen Segeln gegen einen riesigen Felsen raste.
Als Ebbitt schließlich „Sechzig“ rief, packte er die Indigo-Wand vor sich so fest wie möglich und zog daran, um den Dampf, der sie trug, an der Hülle vorbei zu lassen. Im gleichen Augenblick versenkte sein Geistschatten die Klauen im Boden und griff durch das Licht, um seine Krallen in die Steinwand des Schachtes zu hauen. Mit einem furchtbaren, markerschütternden Kreischen hielt die Hülle an und alle ihre Insassen lagen auf dem Boden.
„Perfekt!“, erklärte Ebbitt stolz, als er unter Milla und Malen hervorkroch. Er griff wieder zur Wand, die sich unter seiner Hand dehnte. Dort draußen war das Öffnungsrad einer weiteren Luke. „Violett Eins, wie versprochen.“
„Haltet euch bereit!“, befahl Milla scharf, als Ebbitt an dem Rad drehte. Sie hob ihre Hand und die Kralle begann, in einem harten, rot-goldenen Licht zu leuchten. Jarek nahm seine Kette vom Gürtel. Malen trat einen Schritt hinter die beiden.
Dampf drang hinaus, als sie aus dem Schacht in einen Vorraum mit einem angeschlossenen Korridor traten. Ebbitt schlug die Tür hinter ihnen zu, drehte an dem Rad und wartete ein paar Sekunden, bis er die schützende Hülle mit einem vielfarbigen Strahl aus seinem Sonnenstein auflöste.
Nirgendwo waren Erwählte oder Untervölkler zu sehen. Jarek ging zur Ecke und spähte vorsichtig hinaus. Dann gab er mit einem Seufzen zu verstehen, dass keine Feinde in Sicht waren.
„Genau hier“, sagte Ebbitt. Er zeigte mit seiner rechten Hand nach links und benutzte dann seine linke Hand, um seine rechte festzuhalten und sie nach rechts zeigen zu lassen. „Hier entlang.“
„Jarek, geh voraus“, befahl Milla.
„Dieser Weg wird uns zur Großen Parade bringen“, sagte Ebbitt. „Von hier aus kommen wir bis zum Audienzsaal und Milla kann die Türen für uns öffnen.“
Milla nickte. Sie fragte Ebbitt nicht, weshalb sie die Türen öffnen musste. Es war besser, nicht zu fragen. Vielleicht hätte er dann gewollt, dass sie den Boden wischte.
KAPITEL SIEBZEHN
„Ein blaues Monster“, fügte Adras hinzu.
Tal und Crow verschanzten sich hinter den Leichen, während Adras an die Wand glitt. Sie sahen, wie ein riesiger Mann vorsichtig um die Biegung der Großen Parade kam. Er war tiefblau, hatte schimmernde, metallene Beine und trug etwas in der Hand, das wie eine Kette aussah.
„Was ist das?“, fragte Tal.
Crow stand auf. Er schien irgendwie nervös zu sein.
„Jarek!“, rief er. „Wir sind Freunde!“
„Was machst du?“, zischte Tal. Einen Moment überkam ihn Panik. Jetzt würde Crow ihn verraten. Er musste etwas unternehmen, bevor…
Jemand anderes kam hinter dem blauen Mann um die Ecke. Tal erkannte die Gestalt und zuckte zusammen. Er hatte sofort alle Gedanken an Crow und seinen möglichen Verrat vergessen. Dieses weißblonde Haar würde er überall wiedererkennen, auch wenn es jetzt unter etwas versteckt war, das wie eine Krone aussah. Er nahm an, dass das zu einer Kriegsführerin der Eiscarls gehörte.
Er wollte gerade aufstehen und „Milla!“ rufen, als ein Schatten an ihm vorbeiwischte. Er bellte wie Donner und hatte die Arme weit ausgebreitet.
„Odris!“
Dieser Schrei wurde von dem Ruf „Adras!“ erwidert und ein ähnlicher Schatten sprang hinter Milla in die Luft. Die beiden trafen sich mit einem Donnerschlag in der Mitte, der den Spiegel auf dem Boden noch einmal erschütterte. Das Zusammentreffen der Sturmhirten war so heftig, dass Tal und Milla zusammenzuckten.
Danach „Milla!“ zu rufen, erschien Tal überflüssig. Stattdessen stand Tal langsam auf und ging nach vorn. Ein eigenartiges Gefühl der Nervosität überkam ihn. Er hatte Milla nicht mehr gesehen, seitdem sie sich auf den Untervolk-Ebenen getrennt hatten – er, um noch einmal auf den Roten Turm zu klettern und sie, um sich dem Eis zu überlassen. Furchtbar viel war seither geschehen. Für beide, so schien es.
Es machte alles noch komplizierter, dass Tal jetzt feststellen musste, dass er noch nie sicher gewesen war, ob sie eigentlich Freunde waren oder nicht. Sie waren zwar Kameraden in der Not gewesen, hatten aber auch schon gegeneinander gekämpft und sich gegenseitig viel Schwierigkeiten bereitet. Was konnte jetzt noch geschehen? Vielleicht wollte Milla ihn noch immer töten, so wie beim ersten Mal,
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