Der Sieg nach dem Krieg
Terror von oben. Bei einem Luftangriff waren in zweiundzwanzig Minuten 6000 Sprengbomben, 250000 Stabbrandbomben, 300 sogenannte Brandstiftungsmittel, zum Beispiel Kanister, über der Stadt abgeworfen worden. Es hatte 259 Tote zu beklagen gegeben, 225 Personen waren verletzt, 25000 obdachlos geworden, 269 Gebäude waren total zerstört, 241 schwer beschädigt.
Vor diesem Hintergrund versteht man die Emotionen, die sich entluden, als im Englischen Garten ein alliierter Pilot, ein Tiefflieger, der mit Bordkanonen auf fliehende Menschen schoß, nach einem Flacktreffer bruchlandete, selbst jedoch unverletzt blieb: die Münchner wollten ihn lynchen. Fritz eilte aus dem nahen Luftgaukommando hinzu. Als Stabsfeldwebel in Uniform gelang es ihm, den Mann der Menge zu entreißen, indem er ihn festnahm und abführte. Doch statt ins Luftgaukommando brachte er ihn in ein renommiertes Restaurant, ins Seehaus am Kleinhesseloher See. Er hatte es in Friedenszeiten geleitet, jetzt wurde es von seiner Frau bewirtschaftet. Ganz Gastronom und Gentleman tischte er dem Abgeschossenen auf, damit er sich von seinem Schock erhole. Erst Stunden später übergab er ihn korrekt zu Verhör und Abtransport in die Kriegsgefangenschaft an zuständiger Stelle.
Nach dem Krieg suchte der Gerettete seinen Retter. Dank energischer Fürsprache fiel Fritz wieder in die Fleischtöpfe. Er durfte das Seehaus — jetzt amerikanischer Offiziersclub — übernehmen, dazu übertrug man ihm die gastronomische Betreuung des CIC, Counter Intelligence Corps, der militärischen Abwehrorganisation der USA.
Zu Fuß begegnete er eines Tages zwei Mädchen, Irene und Sophie, die beim Luftgaukommando dienstverpflichtet gewesen waren. Ganz der alte Onkel, ließ er sich erzählen, berichtete seinerseits von der glücklichen Fügung, die seine neue Aufgabe verursacht hatte und von dem hohen, damit verbundenen Sättigungsgrad. Zum Schluß bot er, gewissermaßen als Damenspende, eine Attraktion: einen Abend in Glanz und Seide, bei einer amerikanischen Show mit original ungarischer Zigeunerkapelle, im Seehaus als seine privaten Gäste. Daß er sich das erlauben konnte, unterstrich seine Bedeutung.
In ihren besten Kleidern saßen die beiden jungen Damen am Abend auf Hockern einer Bar ohne Gäste. Fritz stand mit Schiffchen und weißem Jäckchen hinter dem Tresen» Die original ungarische Zigeunerkapelle sammelte sich in der Bar und sprach schwäbisch. Bis zum Einzug in den angrenzenden Saal. Dort waren sie wieder Ungarn.
Von ihren Hockern verfolgten die jungen Damen die Show, der es an internationalem Flair gebrach. Doch die Offiziere an den Tischen, auch Amerikanerinnen in Uniform und Zivil, klatschten dankbar, während Fritz hinten in der Bar seinen Schützlingen diskret auf tischte. Sie futterten, dankbar für die Abwechslung, den Blick in satten Frieden, den Luxus, serviert zu bekommen.
Die schwäbischen Ungarn gingen ab, andere, vom Special Service verpflichtete Künstler traten auf, jonglierten, zauberten oder gebärdeten sich akrobatisch. Übrig blieb schließlich die Kapelle des Clubs, deutsche Musiker mit den runden Gesichtern langfristig Engagierter. Sie spielte wie jeden Abend zum Tanz. Besatzer besetzten die Tanzfläche, ungemein lässig im Clinch. Süßlicher Zigarettenduft hing sirupdick unter der Decke. Zwei Offiziere kamen an die Bar. Auf der anderen Seite des geschwungenen Tresens bewirtete sie Fritz in fließendem Englisch und, da es sich um Amerikaner handelte, ohne Rückfrage, on the rocks.
Scheu saßen Irene und Sophie auf ihren Barhockern. Der hohe Alkoholpegel überseeischer Freizeitgestaltung fiel ihnen auf. Gelegentliche Blicke der beiden Offiziere entgingen ihnen nicht. Sie spürten, daß über sie gesprochen wurde, und in dem akustischen Vakuum nach einem Tanz hörten sie ihren Zerberus warnen: »They aren’t Fräuleins, they are ladies !«
Wie ein Sekundant kam er herüber. Die Offiziere ließen fragen, ob sie einmal mit den jungen Ladies tanzen dürften. Fritz kannte beide vom CIC, dem sie angehörten und versicherte, es handle sich um Gentlemen. Schon rückten sie näher, die Gentlemen, proper und dezent. Einer warb in gebrochenem Deutsch um Vertrauen: er habe eine deutsche Mutter, aus Heilbronn. Sparsam nickten die Ladies, Fritz blinzelte seinen Segen.
Die deutsche Mutter trat ihren Dienst an. Als Ursache für das Interesse, das zu mehreren Tänzen führte und als Anstandsdame. Die Gentlemen Bill und Bob hielten Konversationsdistanz, sie
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