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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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freiem Himmel verbracht. Die Neuzugänge werden sofort von deutschen und amerikanischen Militärärzten untersucht. Diese teilen sie ein: LV — lagerverwendungsfähig, das bedeutet Gefangenschaft, LZV — Lazarettverwendungsfähig, das betrifft die schweren Fälle.
    Zu ihnen gehört Lutz nicht. Aber in dem eiskalten Lager möchte er keinesfalls bleiben. Die Idee, die ihm dabei kommt, wird umgehend verwirklicht: Er schlendert zu den Ärzten, zu dem Tisch, wo die Gefangenenlisten liegen. Während sich die Mediziner unterhalten, sucht er seinen Namen auf einer der Listen, findet ihn, macht aus dem LV dahinter ein LZV und trollt sich wieder.
    Die Gruppen werden getrennt. 5000 Mann bleiben im Lager, Freund Lutz und siebzehn schwere Fälle landen auf einem Umweg über das Krankenhaus Tegernsee im Versorgungskrankenhaus Bad Tölz. Die Ärzte dort rätseln. Außer dem Schußbruch muß er ein schweres inneres Leiden haben, sonst wär er nicht da. Man wird ihn beobachten.
    Auch er beobachtet. Vor allem die Chefsekretärin, eine angehende Schauspielerin — seine spätere Frau. Es geht ihm gut, der Bruch ist verheilt, ausgedehnte Spaziergänge kräftigen den Rätselpatienten. Eines Tages kommt er von einer Bergtour zurück und findet sein Bett mit einem anderen Verwundeten belegt. Er ist entlassen, die jahrelange Versorgung durch Vater Staat ist beendet.
    Wohin?
    Er steht auf der Straße und sieht sich um. Schräg gegenüber befindet sich das Hotel, das für Offiziere des Hauptquartiers von General Patton requiriert wurde, und wo es aus der Küche immer so verlockend riecht. Die Idee, die ihm dabei kommt, wird umgehend verwirklicht: In seiner Fliegeruniform ohne Schulterstücke und Kragenspiegel tritt er ein und wird von einem amerikanischen Offizier aufgehalten. Was er hier zu suchen habe?
    In Schulenglisch bekommt der Mann einen ausführlichen Steckbrief: Gruppenkommandeur eines Jagdgeschwaders, 28 Abschüsse, nur Amerikaner und Engländer, 14 mal selbst abgeschossen, 12 mal mit Fallschirm gerettet, 2 Bruchlandungen, vom Lazarett als geheilt auf die Straße gesetzt, auf der Suche nach Arbeit.
    »Sie sind der erste Deutsche, der zugibt, was er alles angestellt hat !« antwortete der Captain, als Jude des Deutschen mächtig, »Sie können gleich hier anfangen.«
    Da es sich bei dem Captain um den Messofficer handelte, um den Küchenoberbefehlshaber, der verantwortlich ist für die Ernährung des amerikanischen Offizierscorps sowie der deutschen Zivilangestellten, war die Versorgung des Schauspielstudios gesichert.

    Wie das ganze Volk, fingen auch die Schauspieler bei Null an. Wir waren ungefähr ein Dutzend, beiderlei Geschlechts, jeder hatte schon auf der Bühne gestanden, manche sogar in größeren Rollen. Der Tag im Lager begann mit Atemübungen auf der Waldwiese. Unter Anleitung der Atemtherapeutin Margarete Mhe, dienten diese dem Körperbewußtsein und der Lockerung der Membrane des Schauspielers, bürgerlich Zwerchfell genannt.
    Nach reichlichem Frühstück folgte unter Anleitung des Regisseurs Heinrich Koch, der später viele Jahre Schauspieldirektor in Frankfurt am Main war, eine Diskussion, wieder auf der Wald wiese. Wir stellten Fragen und suchten Antworten: Was das eigentlich sei, ein Schauspieler? Das Ich in bildhafter Darstellung; wie man einen andern aus sich selbst gestaltet; über die Logik des Absurden; Konzentration auf eine Rolle; das Spiel aus der Schwingung des Atems; Dramatischer Aufbau; die subtile Innenwelt als Ursache der gröberen Außenwelt, die Wirkung ist; das Bewußte, das Unbewußte undsoweiter. Wir machten es uns schwer, und über alles wurde Buch geführt.
    Dann kam die Praxis, mehr Zen als Stanislawsky. Wie etwa beim Heben eines Armes aus dem Muskel heraus, dann aus der Vorstellung: Ich hebe den Arm, wobei der Bewegungsablauf verblüffend anders ist. Der Arm hebt sich wie gezogen, marionettenhaft. Schwierigkeiten bereitete der unbegrenzte Raum, die Wiese unter dem Himmel. Besonders bei pantomimischen Übungen. Nichts ist da, kein Orientierungspunkt für Höhen, Tiefen, Entfernungen. Der Zuschauer aber sieht jede Abweichung. Wenn zum Beispiel bei der Übung Bügeln der Ausführende zuerst in 80 Zentimeter Höhe bügelt, dann das Eisen 20 Zentimeter höher links abstellt, um das Kleidungsstück zu wenden, das Eisen darauf von rechts aus 60 Zentimeter Höhe wieder aufnimmt und plötzlich auf einem viel längeren Brett in 120 Zentimetern Höhe bügelt. Hier begriffen wir Goethes Forderung nach

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