Der Sieg nach dem Krieg
Wagen zu schleppen und sie dort hochzuhieven, als wären es wirklich nur ganz kleine Kartoffeln. Klappe hoch — ready!
Auch während der Rückfahrt scherzte unser Gönner aus unerschöpflicher Wonnelaune weiter. Er saß vorn, im Führerhaus zwischen Fahrer und Felix, einem polnischen Amerikaner, der das Abladen zu überwachen hatte, hielt ihn im Gelächter, damit er nicht den Kopf drehe, um durch das kleine Heckfenster zu schauen. Die fieberhafte Aktivität hinten auf dem Wagen hätte ihn argwöhnisch gemacht. Das gestohlene Gut mußte aus seinem Versteck ausgegraben und bis zur Ankunft hinter der Ladeklappe gelagert sein. Gleich würde es um Sekunden gehen.
Der Wagen rollte über die Isarbrücke, von Tölz nach Bad Tölz, wo sich in einem beschlagnahmten Cafe die Zivilmesse befand, fuhr in den Hof und stieß zurück bis dicht vor das Kellerfenster des Vorratsraums, der sinnigerweise neben der Heizung lag.
Nun begann der Wettlauf gegen die Uhr. Noch während des Zurückstoßens war einer abgesprungen und flitzte in den Keller, um das Fenster zu öffnen. Vorne stieg Felix aus, ging um das Haus herum, durch den Vordereingang hinein, zur Kellertreppe, um das Abladen zu überwachen. Bis er diesen Weg zurückgelegt hatte, mußten alle entwendeten Schätze abgeladen und versteckt sein.
Kaum war der Überwacher um die Hofecke verschwunden, hechtete einer vom Wagen durchs Kellerfenster, der Dritte warf die erste Sauhälfte hinterher, mit Schmerzenslauten wurde sie aufgefangen.
Felix hätte keine Sekunde früher erscheinen dürfen. Als er die Kellertreppe herunterschritt, flog die letzte Sauhälfte in den Heizraum und verschwand unter einer von Hand ausgelösten Kokslawine. Nebenan warf man die leeren Kartoffelsäcke zum Wagen hinauf. Als Felix eintrat, schimpfte draußen der Ablader. »Verdammt, die blöden Kartoffelsäcke sind aufgegangen! Hat einer eine Schaufel ?«
»Schon da !« rief der Lawinenauslöser und reichte die Kohlenschaufel hinaus.
Damit war auch das Koksrollen erklärt und wieso er aus dem Heizraum kam.
Im Studio widmeten wir uns währenddessen ahnungslos auf der Waldwiese unserem Kunsteifer, präsentierten uns in selbsterdachten, vom eigenen Ich nicht allzu weit entfernten Rollen. Wir spielten Träume, die wir gehabt hatten. Sie waren zuvor in Einzelstunden bei Margarete Mhe besprochen und gedeutet worden. Rührend mitunter, welche Naivität der gestaltete Traum freilegte! Ein blonder Parzifal spielte ständig Prinzen, die unsichtbare Prinzessinnen aus Grotten befreiten, um sie mit schwerer Hand zärtlich zu streicheln. Eine Dunkle träumte aggressiv, das aber lebenstüchtig. Mit barschen, eckigen Bewegungen versah sie einen imaginären Haushalt, kochte, putzte, spülte ab und erheiterte alle mit ihrer Pingeligkeit. Später betrieb sie ein Restaurant.
Wichtig bei diesen Darstellungen waren die Begrenzung des Spielfelds, die Bühne, und der sichtbare Übertritt aus dem privaten Ich in die Verwandlung. Eine ausgelegte Bauplatte, die lange danach bei einem Vorspielen in München die Bühne markierte, wurde von Kollegen spöttisch nach dem Namen des Regisseurs >Kochplatte< genannt. Der Name blieb dem Studio. Auch als sie längst durch einen Teppich ersetzt war.
Unser psychodramatischer Weg überzeugte indes renommierte Männer vom Fach, wie den Schauspieler Ernst Fritz Fürbringer, der nach dem Besuch einer Fliegerbombe in seiner Wohnung mit den Seinen im Isartal Zuflucht genommen hatte, den Regisseur Gustav Rudolf Sellner, der uns im Zeltlager besuchte, und Carl Zuckmayer. Er schrieb für eine unserer Schauspielerinnen den Gesang im Feuerofen.
Es gab viele Freunde, von den Zeitläufen in den Isarwinkel verschlagen, die sich tapfer und ohne Klagen durchbrachten, von unserem unermüdlichen Tellerfüller nach Kräften unterstützt. Die Beziehung zwischen ihm und seinem Captain hatte jenen Grad erreicht, wo Herzlichkeit in Illegalität übergeht. Eines Tages vertraute der Amerikaner ihm an, er suche eine deutsche Retina-Kamera und werde mit Naturalien bezahlen.
Sofort setzte verschärftes Querdenken ein. Man ging damals nicht gerade vor, man umrundete das Problem. Vorab mit innerem Monolog: Der will also eine... Hat nicht der...? Ich glaub’ der hat eine! Gegen Naturalien... Ran kommt der an alles... Da müßten mindestens... Da läßt sich noch mehr draus machen... Wer hat mich kürzlich nach einem Heizkessel gefragt...? Da sind doch noch die Eier... Moment. Haben nicht die,... na die... haben die
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