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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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exakter Fantasie. Der Pantomime hat keine Meßmöglichkeit außer seinem Körper und seiner Vorstellung. Seitdem haben wir gesehen, daß selbst Berühmtheiten dieses Fachs nicht immer mit exakter Fantasie arbeiten.
    Unser Versorger kam mit dem Wagen und tischte uns amerikanisch auf, angereichert mit frischen Zutaten aus bäuerlicher Quelle. Man hätte glatt wegen des Essens Schauspieler werden können!
    Wir nahmen zu, an Erfahrung und Gewicht. Der Genuß von Fleisch wurde uns mit jeder Mahlzeit selbstverständlicher. Keiner ahnte, welche trojanischen Pferde Freund Lutz aufzäumen mußte, um uns mit Schwein zu füttern. Bei seinem Gönner, Captain Ladd, hatte er es nach Anfängen als Dolmetscher für das Küchenpersonal zum Manager der Zivilmesse für die deutschen Angestellten gebracht. Er versorgte an die tausend hungrige Mäuler; und natürlich uns.
    Die Amerikaner lieferten vor allem Konserven, gelegentlich Suppen, Soßen, Eipulver, wenig Kartoffeln. Die gab es für Deutsche auf Bezugschein in den üblichen Minimengen. Um den Kalorienpegel anzuheben, ließ unser Versorger seine mittlerweile fröhlich-kameradschaftlichen Beziehungen zu den Amerikanern und zu den Bauern der Umgebung spielen.
    Die Landbevölkerung suchte dringend Schmierseife. Die konnte er gegen Bauernschnaps bei den Amerikanern ein- tauschen, und sie gegen zusätzliche Kartoffeln liefern, wenn es sich um größere Seifenmengen handelte. Irgendwie kam er an Großabnehmer im fernen Niederbayern, die über entsprechende Kartoffelbestände verfügten.
    Als Manager zog er die Sache hochoffiziell auf. Mit einem Armeelastwagen, der ja nicht kontrolliert wurde, karrte er die Schmierseife nach Niederbayern, um Kartoffeln für die Zivilmesse zu holen, korrekt gegen Bezugschein. Alles stimmte, bis auf die Menge. Die Bauern honorierten die Schmierseife mit einer kompletten Lastwagenladung Kartoffeln. Einem von ihnen gab der umsichtige Organisator für den Fall einer Rückfrage einen kleinen Bezugschein. Das war klug, denn irgendwie — damals geschah ja alles irgendwie — kamen die Fahrten der deutschen Polizei nicht geheuer vor. Sie beschuldigten ihn schwarzer Geschäfte mit amerikanischen Waren gegen Kartoffeln und wollten ihn gleich mitnehmen. Ihr Argwohn lief an seinen glatten Antworten ab, wie an Ölzeug. Der Wagen war von Captain Ladd persönlich gestellt, die bäuerliche Adresse, wo sich der Bezugschein befand, war nachprüfbar. Woher die Polizei den Hinweis hatte, blieb im Dunkel. Von den Küchenangestellten der Zivilmesse konnte er nicht stammen, ihnen kamen die Kartoffeln ebenso zugute, wie dem Studio und lieben Menschen in der Umgebung. Freund Lutz handelte dunkelweiß, doch ohne Profit. Schwarzhändler war er nicht.
    Auch die Amerikaner übertraten ihre Befugnisse. Mit Gutmütigkeit. Einmal im Monat spendierten sie Zusatzverpflegung. Nicht gerade Mastgänse oder Rindsfilet, doch Erbsenpulver, Kartoffelchips und andere Abwechslungen von überschaubarem Nährwert. Die Auslieferung erfolgte in der ehemaligen SS-Kaserne, wo noch heute das Sternenbanner weht. In dieser Nazitrutzburg befand sich das zentrale Verpflegungslager für die US-Einheiten der Region. Zwischen den Bergen und Stapeln von hochwertiger Nahrung für die Truppe, Lunchmeat, Kaffee, Frischfleisch, Eiern, Honig, Kakaopulver, Reis, Butter und Fisch, lag das Häuflein milder Gaben: dreißig bis vierzig Kisten oder Schachteln, ein paar Säcke voll übriggebliebener Kartoffeln.
    Die kernig duftenden Kalorienbomben in nächster Nähe zündeten eine Idee, die jedesmal generalstabsmäßige Vorbereitung und beherztes Handeln erforderte. Wie die Yankees den Indianern das Feuerwasser, brachte Freund Lutz für Lagerverwalter und Aufpasser kühlen Obstler mit und hielt zu vergnügtem Schwatz ihren Blick bei der Flasche. Indessen vergriffen sich zwei ausgesuchte Helfer mit kriegserprobtem Organisationstalent beim Aufladen blitzschnell an Nachbarbergen und — stapeln. Der dritte Mann auf dem Wagen verstaute die Konterbande sofort unter dem Erlaubtem . Er kippte die Kartoffeln aus und reichte die Säcke zur Tarnung weiterer Fehlgriffe zurück, denn in unmittelbarer Nähe vom Mildengabenhäuflein hingen in Reih und Glied an der Achillessehne vorbeigefädelte Schweinehälften an Metzgerhaken. Das bedeutete kein Geklapper bei rascher Abnahme.
    Hier ein Scherz mit den Aufpassern — dort verschwanden Zentner in Kartoffelsäcken. Die flinken Verlader mußten sich bemühen, sie möglichst leichtfüßig zum

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