Der Sieg nach dem Krieg
wir mit endlosem Gebrüll unsere Stimmritzen und honorierten den Meister mit Butter, Speck und Kaffee.
Diese Ausbildung für die Bühne trug mir durch die seltsamen Atem- und Sonnengeflechtsstrapazen einen Zwerchfellhochstand ein. Ich glaubte, einen Herzfehler zu haben, und rätselte woher. Bis ein kurzes Gastspiel bei der Buddhistischen Gemeinde das Leiden mit Yogaatmung wieder behob. Gymnastik und Florettfechten mögen dabei mitgeholfen haben. Heinrich Sauer und ich schrieben in durchträumten Nächten ein Stück, dessen Aufführung allen erspart blieb. Wir hatten auch die Musik dazu komponiert, und waren nicht die einzigen* Alle Welt gab sich schöpferisch, suchte und fand. Zumindest eine Schublade für die Träume.
Jetzt also Isartal! Meinem Drang in das Studio stand ein Vorsprechen im Weg. Ich versuchte mich an Naturburschikosem aus Der zerbrochene Krug, meiner Treu’, ich Tölpel, und, um privat sein zu können, an Ambessers Rolle aus dem Gerstenberg, dem Ansager. Meine Selbstkritik ließ mich durchfallen, doch das Studio nahm mich auf, und eine Ausbildung begann, die selbst in Theaterkreisen als unkonventionell bezeichnet werden muß.
Auf einer Wiese nahe der Isar, zwischen Bad Tölz und Lenggries stand ein militärisch anmutendes Lager: Zelte, Faltbetten, Decken, Klappstühle, — tische, Geschirr — alles aus amerikanischen Armeebeständen. Die Ausrüstung täuschte jedoch: das war die Schauspielschule. Das Lager befand sich neben den Wohnsitzen der evakuierten Atemtherapeutin und des Regisseurs, die als Bombengeschädigte bei Bauern untergekommen waren.
Doch wieso die amerikanische Ausrüstung? Es gab keine deutsche Dienststelle, die einem Privatunternehmen wie dem Studio Unterrichtsraum zur Verfügung hätte stellen können, schon gar nicht in München, wo alle Wege beschwerlich und zeitraubend waren. Also hatte man umgedacht: Wenn die Schüler im Studio wohnten, in der Nähe ihrer Lehrer, und dort auch verpflegt würden, wäre das die beste Lösung. Sie wurde angestrebt, die Umstände sorgten für Abstriche. Eine Waldwiese ersetzte die Bühne, essen konnte man unter freiem Himmel und bei Regen im Bauernhof, dort zu wohnen war allerdings nicht möglich.
Im dicht besetzten Bad Tölz gab es leider keinen amerikanischen Theateroffizier, der friedlichen Thespisjüngern ein komplettes Camp zur Verfügung gestellt und sie obendrein auch verpflegt hätte. Diese Lücke mußte mit dem für Deutsche freigegebenen Baumaterial geschlossen werden: mit Organisation und Improvisation. Der Bauleiter, ein Mann mit Einfällen und Beziehungen, war bereits gefunden. Bei den Amerikanern beschäftigt, mit einer der jungen Schauspielerinnen aus dem Studio verlobt, brachte er zunächst alle Voraussetzungen mit, später auch alles weitere.
Seine jüngere Vergangenheit glich einem Summa-cum-laude-Zeugnis für Krisenbewältigung. Lutz Hengst, Jagdflieger, im Frühjahr 1945 mit Schußbruch im Heereslazarett Jüterbog. Die Russen haben die Oder überschritten, und in ihre Gefangenschaft zu geraten, ist das Letzte, was man sich wünscht. Da plötzlich gibt’s Unruhe im Lazarett. »Der Unruh kommt !« heißt es. General von Unruh durchkämmte im Auftrag Hitlers Schulen, Rüstungsbetriebe, Lazarette nach einigermaßen kampffähigem Menschenmaterial. Die Menschen nannten ihn Heldenklau. Freund Lutz beobachtet, wie Herr General im schweren Horch mit Generalsstander vorfahren.
Das ist die Chance!
Kaum hat der General mit Gefolge das Lazarett betreten, schleicht er sich mit einem Fliegerkameraden hinaus. Ohne Gepäck, ohne Zahnbürste klauen sie den Wagen des Heldenklau und rasen, was der Karren hergibt, davon.
Dank dem Generalsstander passieren sie Kontrollen der Feldgendarmerie, die sie, ohne Papiere, als Fahnenflüchtige in den Unheldentod geschickt hätte. Bei Halle an der Saale geht das Benzin zur Neige. Sie erreichen den Fliegerhorst und steigen auf einen Funkwagen um, den ihre Einheit dort zurückgelassen hat. Damit haben sie eine nachprüfbare Antwort für Kontrollen: Unterwegs zur Truppe bei Landau.
Von dort wird Lutz ins Jagdfliegerheim Bad Wiessee am Tegernsee überstellt, wo sich verwundete Piloten erholen. Die Amerikaner kommen, lösen das Heim auf, erklären die Verwundeten zu Gefangenen und bringen sie an einem eisigen Maitag mit Lastwagen ins nahe Rottach-Egern. Dort befindet sich auf schneebedeckter Wiese ein provisorisches Gefangenenlager. Es gibt nur wenige Zelte, die meisten Gefangenen haben die Nacht unter
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