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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nicht auch eine Retina? — Da könnte man... Und für die Vermittlung müßte auch... Erst die Kamera! Der sie hat, soll sagen, was er braucht... Und wenn er sie nicht hergeben will? — So, wie die leben, nichts zu essen, will er... Nachdem die Kamera gefunden, Preis und Nebenabmachungen ausgehandelt waren, ergab sich folgende Geschäftslage:
    Ernst Fritz Fürbringer tauschte seine Retina gegen einen halben Zentner Butter, bei Lieferung.
    Für die Vermittlung hatte sich Lutz von Captain Ladd eine besondere Provision ausbedungen. Wie ihm zu Ohren gekommen war, sollten sich in einem der requirierten Hotels Möbel aus Karinhall , dem Jagdhaus des ehemaligen Reichsmarschalls und Reichsjägermeisters Herrmann Göring befinden, mehrere Sessel und ein Sofa, vermutlich deutsche Eiche.
    Genau die wollte er. Und zwar aus reiner Berechnung. Bei der Sammelleidenschaft und der Schwäche vieler Amerikaner für makabere Souvenirs würden die Stücke rasch im Wert steigen und sich nach und nach immer günstiger gegen Naturalien eintauschen lassen.
    An einem klirrenden Spätnachmittag des zweiten Nachkriegswinters holte Freund Lutz beim Captain im Schutz der Dunkelheit die Kiste Butter mit einem Schlitten ab. Da die Tölzer Brücke bewacht wurde, und Passanten damit rechnen mußten kontrolliert zu werden, zog er den Rodel an der Schnur durch das bis auf ein Rinnsal zugefrorene, steinige Bett der Isar.
    Die Empfängerfamilie jubelte. Vor allem die Kinder. Allein schon der Anblick solcher, seit Jahren nicht gesehener Menge wirkte kräftigend. Leicht ging die Kamera von der Hand. Nicht minder, wenn auch verhaltener, weil nicht in Not, freute sich der Captain und dankte seinem Mess-Manager mit herzlichem Händedruck für die Vermittlung. Am nächsten Morgen um vier Uhr wollten sie sich, wie abgemacht, in der Offiziersmesse wiedertreffen, um die eichene Provision abzuholen. Lastwagen mit zwei vertrauenswürdigen Soldaten als Träger und ein vorläufiger Abstellraum — alles war organisiert.
    Der Vermittler kam pünktlich und wartete. Weder Motorgeräusch noch Schritte unterbrachen die nächtliche Stille. Erst nach drei Stunden, gegen sieben Uhr, erschien der Fahrer des Captains und wunderte sich auf englisch: »Was machst du denn hier ?«
    »Wir sind verabredet«, erklärte ihm Mess-Manager Lutz, »ich warte auf den Captain und den Lastwagen, damit wir die Möbel abholen. Es wird ja höchste...«
    »Captain Ladd ?« unterbrach der Fahrer. »Da kannst du lange warten. Den hab’ ich gestern Abend zum Flugplatz gebracht. Zurück in die Staaten...«

Einzelkämpfer

    K urz vor Kriegsende hatte Freund Rudi aus der Villa des geflohenen Gauleiters Volkseigentum zurückgeführt. Nicht zuletzt aus dem Weinkeller hatte er mit dem Rucksack davongeschleppt, was die Gurte hielten, die Spitzenprodukte eilends im Vorgarten versteckt, um so schnell wie möglich in den Gauleiterkeller zurückzukehren, ehe andere ihm zuvorkämen.
    Schnell mußte man sein in diesen turbulenten Tagen und an alles denken. Auch an die lieben Nachbarn, ob sie einen nicht etwa beobachteten. Während Rudi den nächsten Sack voll Flaschen seinem Privateigentum zuführte, entwendeten sie die Ladung des ersten aus dem Vorgarten.
    Der Verlust, durch Giereifer entstanden, ließ sich verschmerzen. Noch heute ziert ein stattlicher Teppich aus dem unfreiwilligen Nachlaß des Gauleiters sein Haus.

    Ré Grossmann, der Maler, lebte mit einer Freundin von karger Attraktivität. Das schont die Nerven. Sie hatte die verführungspflichtigen Jahre hinter sich und schob, gleichsam zum Beweis ihrer ausgereiften Kochkunst, eine stattliche Wölbung in der Äquatorzone vor sich her, eine Wamp’n, wie man in Bayern sagt. Er nannte sie zärtlich Wamba. Diese dunkle, düster blickende Frau besaß ausgleichshalber ein zweites Gesicht. Sie sah nicht gerade hell, ahnte jedoch mehr und richtiger als andere und sicherte ihre Prognosen mit Karten ab, die sie gegen Honorar in Form von Naturalien für jedermann legte.
    Bei ihr saß Ré, stets um den guten Ausgang seiner Schwarzmarktaktivitäten wissend, wohlgeborgen an der Quelle. Wo andere sich mit Entscheidungen plagen mußten, über Hoffnungen keinen Schlaf fanden, zwischen Partnerschaften pendelten, war er, der gebürtige Elsässer, l’homme tranquille, aus Reife und Bequemlichkeit treu. Frauen mit Ahnungen verläßt man besser nicht, sagte er sich, man wartet, bis die Karten sagen, es sei aus. Daß sie es sagen, läßt sich mit Konzentration

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