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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ihren Kopf bauschten. Alles an ihr war groß, das Gesicht war breitflächig und fleischig, so dass die dunklen Augen fast drin verschwanden, der Busen wogte üppig in der braunen Tunika, die Hände sahen aus,
als ob sie eine Toga ohne Probleme alleine auswringen konnten, und ihre Füße steckten in Sandalen, von der jede einzelne ein Paar für Annik ergeben hätte. Ihr Lächeln war warm und mütterlich.
    »Willkommen bei uns. Charal, mach dich an deine Arbeit, ich kümmere mich um Annik. Hast du schon gegessen, Mädchen?«
    »Nein, ich hatte noch keine Zeit dazu.«
    »Dann komm!«
     
    Annik brauchte nur wenige Tage, um sich in den Tagesablauf des Gutes einzugewöhnen. Diese Art Leben war ihr nicht so fremd. Sie fand schnell heraus, was zu tun war und gab Charal Anweisung, welche Art von Ton sie benötigte. Dann widmete sie sich dem Brennofen, dessen runde Kuppel hinter der Werkstatt aufragte. Der alte Töpfer war vor Wochen einer bösen Lungenkrankheit erlegen, und Erwan, der alte Ofensetzer, hatte aus eigenem Antrieb nichts an dem Ofen getan und fand auch regelmäßig Ausflüchte, um die schmutzige Arbeit nicht erledigen zu müssen. Der Brennraum war voller Asche, die Scherben der zerbrochenen Krüge waren nicht weggekehrt worden, die Brennhilfsmittel lagen unsortiert herum. An einem neblig feuchten Morgen band sich Annik also ein dunkles Tuch um die Haare und machte sich daran, die Brennkammer auszuräumen.
    Sie war über und über schwarz verschmiert, und ihr Zorn auf den alten Faulpelz Erwan wurde nicht geringer, als sie sich an den Scherben die Hände blutig schnitt, so dass ihr die Axt, mit der sie ein paar hartnäckige Schamottestücke lockern wollte, aus dem Griff rutschte. Nur eine hastige Seitwärtsbewegung rettete ihren Fuß. Dabei stieß sie sich den Kopf an der Mauerkante und gab einen herzhaften Fluch in ihrer Muttersprache von sich. Sie
nahm die Axt auf, krabbelte aus der Feuerkammer und brüllte nach Erwan.
    Die Antwort war ein erstickter Schrei, und eine zierliche, schwarzhaarige Frau brach vor ihren Füßen zusammen. Ein halbwüchsiges Mädchen starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Was, um Taranis willen, soll das denn nun schon wieder?«, fauchte Annik und musterte das Häuflein Weib in zarter Leinentunika am Boden.
    »Das ist Ulpia Rosina«, bemerkte das Mädchen trocken und fing an zu lachen. »Und du bist die wutschnaubende Fornax, die ihr Opfer fordert, vermute ich?«
    »Nein, ich bin Annik, die Töpferin! Aber warum...?«
    »Nun ja, du siehst ein wenig - äh - barbarisch aus. Dein Gesicht ist ganz schwarz und voller Blut, und du hältst eine Axt in deinen blutigen Händen. Rosina hat eine empfindliche Konstitution, weißt du. Ich werde Ursa rufen!«
    Das Mädchen drehte sich um und schrie nach der Haushälterin. Ursa, die bei den Wäscherinnen stand, drehte sich um und kam angelaufen.
    »Was ist denn hier passiert?« Entsetzt betrachtete sie sowohl Rosa als auch Annik. »Hast du ihr etwas getan, Töpferin? Hast du die Domina erschreckt?«
    Sie kniete bei Rosina nieder und richtete sie vorsichtig auf.
    »Schon möglich, aber nicht mit Absicht.«
    Annik legte die Axt zur Seite und begann, die wunden Hände an ihrem Kittel abzuwischen.
    »Wasser!«, befahl Ursa. »Valeria Gratia, hol einen Eimer Wasser vom Brunnen.«
    Das Mädchen verschwand und kam gleich darauf mit einem der Stalljungen zurück, der ein Holzschaff mit Wasser trug.

    »Gratia, hör auf zu giggeln! Und du, Annik, wasch dich! Du siehst aus wie eine Erscheinung aus der Unterwelt!«
    »Na, da war ich auch.«
    Anniks Sinn für Komik erblühte, und sie stimmte in das Kichern des Mädchens mit ein.
    Rosina kam unter Ursas rauer Massage wieder zu Bewusstsein.
    »Die ist ja entsetzlich!«, flüsterte sie.
    »Nein, das ist sie nicht, nur schmutzig und ein bisschen angekratzt«, sagte Gratia. »Wenn sie gewaschen ist, wird sie vermutlich wie ein ganz normaler Mensch aussehen und nicht wie eine der Lamien der Nacht.«
    »Das tut sie, Domina. Kommt, steht auf.«
    Ulpia Rosina gehorchte und ließ sich von den starken Armen der Haushälterin hochziehen.
    »Spricht sie unsere Sprache?«, fragte sie Ursa.
    »Besser als Ihr, Domina!«, gab ihr die Germanin nüchtern zu verstehen, was nicht ganz richtig war. Ihre Bemerkung bezog sich auf den weichen Akzent, den Rosina sprach und der ihre Herkunft aus einem südlichen Land verriet. Sie musterte Annik kritisch und sagte dann: »Du bist die neue Töpferin! Ich wollte dich kennen lernen.

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