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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Es waren lebenslustige Augen, braun mit grünen Sprenkeln. Einige Fältchen hatten sich bereits darum gebildet, aber älter als Anfang dreißig konnte er wohl nicht sein.
    »Mein Leben ist im Vergleich zu deinem geradezu lähmend langweilig verlaufen. Darum interessieren mich ja andere Leute so sehr.«
    »Wie sind deine Eltern?«
    »Oh, die sind ganz in Ordnung. Ma ist Fotomodell, Daddy hat sich in L.A. zur Ruhe gesetzt und betreibt jetzt einen Drugstore. Vorher war er bei den Marines.«
    »Ah, ich erkenne dich als das genetisch einwandfreie Produkt beider. Ein berühmtes Fotomodell?«
    »Hast du noch nie was von Mo Britten gehört?«
    »Gehobene Herrenmagazine oder Vogue?«
    Er lachte.
    »Würde dich beeindrucken, was?«
    »Nicht wirklich. Also mehr das Modell: ›Strickwaren für Mollige‹?«

    »Versandhauskataloge größtenteils. Aber sie arbeitet unheimlich professionell, deswegen mangelt es ihr nie an Aufträgen. Ich habe von ihr viel gelernt.«
    »Vom Daddy auch, nehme ich an.«
    »Er löste sich schon in Wohlgefallen auf, als ich ein kleiner Junge war. Lassen wir das.«
    »Na gut. Was für ein Projekt verfolgst du denn im Moment?«
    »Das willst du ja doch nicht hören!«
    Zum Glück wurde der Hauptgang serviert, was mir eine Verschnaufpause gab. Marcs Avancen begannen nämlich, mir Spaß zu machen, und so ganz leise keimte die Vorstellung in mir auf, dass er ein recht amüsanter Flirt sein könnte. Möglicherweise sogar ein klein wenig mehr. Wir setzten unser Geplänkel noch eine Weile fort, aber gegen zwei begann mein Arm wieder zu schmerzen, und ich bat ihn, mich nach Hause zu bringen. Er tat es, ohne zu murren.
    »Ich würde dich gerne wieder sehen, Anita. Darf ich dich anrufen? Im Laufe der Woche? Ich bin noch ein paar Tage hier in der Gegend.«
    »Nein. Gib mir deine Nummer, Marc, dann hörst du von mir!«
    Er gab mir eine Visitenkarte mit seiner Adresse in Frankfurt und einer Mobil-Telefonnummer.
    »Ich bin selten zu Hause, versuch es auf jeden Fall über das Handy«, meinte er und legte dann den Arm um mich. Es war ein sanfter, nicht allzu drängender Kuss.
    »Ich weiß, du hast Schmerzen. Bis bald, Anita-Schätzchen.«
    Diesmal störte mich das Schätzchen nicht.
     
    Ich packte meine Bücherkiste ins Auto und fuhr in meine Wohnung. Eine Schmerztablette und zwei Stunden
Verdauungsschlaf machten mich dann wieder fit für Roses Erzählung.
    Der nächste Teil der Geschichte war diesmal eine Originalszene von Julian, die er ihr, wie sie sagte, vor wer weiß wie langer Zeit geschildert hatte. Er hatte mit ihr aus einem Bastelbogen eine römische Villa nachgebaut, und ich erinnerte mich daran, dass das auch einmal eine weihnachtliche Beschäftigung gewesen war, die er zu Kinderzeiten mit mir durchgeführt hatte.

11. Kapitel
    Die Herrin des Hauses
    Zwei Tage nach dem Besuch der Colonia stand Falco morgens in der Tür der baufälligen Hütte. Annik schob ihre Schüssel mit Bohnenbrei zur Seite und grüßte ihn mit kaum zu unterdrückender Spannung.
    »Wahrhaftig kein Aufenthaltsort für dich. Pack deine Sachen, wir reiten zur Villa des Titus Valerius Corvus.«
    Die drei anderen Frauen starrten Annik entsetzt an.
    »Du verlässt uns?«
    »Sieht ganz so aus. Ich habe eine Stelle als Töpferin bei einem Patrizier, einem Gutsherren.«
    »Und was sollen wir machen, Annik?«, jammerte eine der Frauen.
    »Euch um euren eigenen Hintern kümmern. Bislang habt ihr das ja noch nicht für notwendig erachtet.«
    Energisch schnürte Annik ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und war kurz darauf bereit, mit Falco der Canabae den Rücken zu kehren. Sie hoffte, dass es für alle Zeiten sein würde.
    Das Gut erreichte man nach etwa zwanzig Wegmeilen auf der gut ausgebauten Straße zwischen dem Legionslager Castra Bonnensia und der Colonia. Es lag ein Stück abseits der Straße inmitten von Hirse- und Weizenfeldern und einigen Weideflächen. Umgeben war es von einer weiß verputzten Mauer, die Gemüse- und Obstgärten umschloss. An seine Westseite grenzte der dichte, dunkle Wald Germaniens. Ein gepflasterter Weg führte von dem Eingangstor zum Haupthaus, rechts und links
davon befanden sich die Wirtschaftsgebäude, Scheunen und Remisen. Allenthalben herrschte Geschäftigkeit. Das erste Getreide war geerntet worden, und auf dem Dreschplatz schwangen drei Männer die Flegel. Mehrere Frauen kämpften mit den Wäschestücken, die sie im auffrischenden Wind auf eine Leine zu hängen versuchten. Ein Junge striegelte ein kleines,

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