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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Vergleich zwischen den Legionären und der heimischen Tierwelt zum Besten zu geben. Die Tiere schnitten allemal besser ab. Die Legionäre machten zunächst noch einigermaßen gute Miene zu den Spottversen, doch als Reime sich auf einige jüngst erlittene schmähliche Niederlagen zu beziehen begannen, bauten sich zwei bullige Soldaten drohend vor dem Fass auf. Humor, so schien es, war nicht ihr hervorstechendster Charakterzug. Annik nutzte die Gelegenheit, sich hinter Martius zu stellen und ihn sacht am Ärmel zu zupfen.
    »Annik! Was machst du denn hier?«
    »Töpfe verkaufen!«
    »Dann sieh zu, dass du deine Ware in Sicherheit bringst. Das riecht mir hier nach einer Keilerei!«
    »Du wirst doch wohl nicht mitmachen wollen?«
    »Och nein?«
    »Martius! Bist du so ein eingefleischter Römer geworden, dass du dich gegen dein eigenes Volk stellst? Das hier sind auch Gallier. Und der da ist ein Barde!«
    »Kommt ja nur auf die Seite an, auf die ich mich bei dem Spaß stelle, nicht?«
    »Uh, Männer!«, schnaufte Annik und trat den Rückzug an. »Pass auf den Barden auf, ja?«

    »Mach ich!«
    Das war etwas, das die Römer nicht verstanden oder nicht verstehen wollten. Der Barde war tabu. Er war der Bewahrer der Traditionen, er brachte Nachrichten, er konnte das Geschehen deuten auf Grund seines umfassenden Wissens. Niemand durfte dem Barden Schaden zufügen, sein Rat war viel zu wertvoll. Seine Macht war die Macht des Wortes, sei es Segen oder Fluch, und darum durfte er auch die verspotten, die seinem Volk die Unabhängigkeit geraubt hatten.
    Natürlich versuchten die beiden Dummköpfe von Legionären, den Barden von seinem Fass zu ziehen. Der Volkszorn kochte hoch. Krachend landete einer der Soldaten in den Körben voll Kohl, und die Besenbinderin zog ihm eins mit dem Besenstiel über. Federn stoben, als ein Korb mit Hühnern aufsprang, Eier barsten und verspritzten gelben Dotter über glänzende Brustpanzer. Es war ein überaus unfair geführter Kampf, an dem sich die Frauen genauso beteiligten wie die Männer, und ein geradezu mörderisches Gebrüll erfüllte das Dorf.
    Annik sah, dass Martius den Barden hinter sich gebracht hatte und ihn geschickt zu dem Stand mit Körben drängte. Dann verlor sie ihn aus den Augen, weil einer der Legionäre, von der Besenbinderin gescheucht, über einen Korb stolperte und im freien Flug in ihren verbleibenden Töpferwaren landete. Das erboste sie, und sie trat ihm zusätzlich, als er sich aufrappelte, kräftig gegen die Brust, die von Eigelb tropfte.
    »Das wirst du bezahlen, du Idiot!«, herrschte sie ihn an. Der Mann schnappte nach Luft und schielte erstaunt zu ihr auf. »Ansonsten müsste ich Praefect Aurelius Falco, einem guten Freund von mir, von dieser kleinen Schlägerei berichten, die ihr hier angezettelt habt.«
    »Hä?«, sagte der Legionär.

    »Grüß ihn von Annik, der Töpferin, dann wird er es dir erklären. Macht siebzehn Sesterzen, Sonderpreis für die tapfere und ruhmbekleckerte Legio Minerva!«
    »Tu, was sie sagt, Strabo!«, bemerkte Martius, der hinter ihm auftauchte.
    Der Legionär gönnte Annik einen giftigen Blick, aber er nestelte aus seiner Tasche ein paar Geldstücke und gab sie ihr.
    »Und jetzt scheint ein geordneter Rückzug angemessen zu sein, sonst artet das hier in Lynchjustiz aus. Die Leute haben was dagegen, wenn man ihre Barden beleidigt. Das solltest du allmählich wissen!«
    Auf dem Schlachtfeld kehrte nach und nach Ruhe ein. Martius gab Annik einen schnellen, harten Kuss und meinte: »Ich komm dich in den nächsten Tagen besuchen! Aber jetzt verschwinde ich besser. Der Barde ist unter den Körben, hol ihn raus, wenn die Luft rein ist.«
    Kopfschüttelnd sah Annik den aufbrechenden Legionären nach und ging zu dem Haufen Körbe hinüber. Sie räumte einige kleinere zur Seite und wuchtete dann eine riesige Kiepe hoch.
    »Komm heraus, Barde, die Schlacht ist geschlagen.«
    »Unverschämtes Römerpack!«, murrte der junge Mann und zog seine Harfe unter einem Werfelkorb hervor. Ihr galt zunächst sein besorgtes Interesse, dann aber sah er Annik erstaunt an. In seiner eigenen Sprache sagte er etwas zu ihr, das nach Dank und Ehrerbietung klang.
    Annik antwortete ihm mit einem Schulterzucken: »Tut mir Leid. Ich verstehe euren Dialekt nicht besonders gut, wir müssen uns in der Sprache der Römer unterhalten, die du ja ebenfalls ausgezeichnet beherrschst.«
    »Jetzt weiß ich, wer Ihr seid! Die Gallierin, die mit den Reitern aus dem Norden kam. Ich sah

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