Der Siegelring - Roman
Waren herstellen soll, die in Eurem Haushalt benötigt werden.«
»Du wirst eben selbst etwas härter arbeiten müssen, Töpferin.«
»Ich arbeite hart genug, aber einen Ofenbrand kann man nicht alleine durchführen.«
»Charal, stell einen Arbeiter zu ihrer Hilfe ab!«
Annik begehrte auf.
»Damit ist es nicht getan, Dominus. Ich brauche versierte Hilfe. Abgesehen davon mache ich Euch noch einmal darauf aufmerksam, dass Erwan ein kranker Mann ist!«
»Er ist kräftig genug, Rufus die Nase zu brechen!«
»Jemandem die Nase zu brechen, verlangt keine besondere Kraft!«
»Darin scheinst du ja wohl ausreichend Erfahrung zu haben, Barbarin!«
»Wenn man mit Römern zusammenlebt, bleibt das nicht aus!«
Einige Zuhörer sogen entsetzt die Luft ein, andere versteckten ihre erheiterten Mienen hinter den Tunika-Ärmeln.
»Ruhe!«, donnerte Valerius Corvus. Dann fuhr er Annik an: »Willst du mein Urteil in Frage stellen, Töpferin?«
»Ja, Dominus. Ich lasse es nicht zu, dass Ihr meine Leute zu Krüppeln schlagt!«
Es herrschte eine atemlose Stille. Valerius war aufgestanden und fragte mit beherrschter, leiser Stimme, die jedoch mit jedem Satz lauter wurde: »Du lässt es nicht zu? Du sprichst von deinen Leuten? Woher nimmst du, beim Hades, die Frechheit, so mit mir zu sprechen? Noch ein Wort, und du erhältst die gleiche Strafe!«
»Ihr seid ein...«
Eine raue Hand legte sich über Anniks Mund, und der Rest ihrer Rede wurde verschluckt. Ursa stand hinter ihr und zerrte sie in die Reihe zurück.
»Halt bloß den Mund, Annik. Der Alte wollte es nicht anders. Schau genau hin, wenn Charal die Peitsche schwingt.«
Es ließ sich nicht vermeiden, dem entwürdigenden Schauspiel zuzusehen. Erwan heulte und krümmte sich unter dem zischenden Riemen, dass es selbst die Hartherzigsten hätte erweichen müssen. Annik wollte sich zornschnaubend zu ihm durchdrängen, aber Ursa hielt sie in einem eisernen Griff.
»Schau genau hin, du verrücktes Huhn!«
Sie tat es, und da wurde ihr klar, dass sich ein empörendes Schauspiel vor ihren Augen abspielte. Charal war
ein Meister mit der Peitsche. Sie traf mit unweigerlicher Präzision - daneben.
»Wusste er das?«
»Erwan? Ja, natürlich.«
»Und Rufus?«
»Er wird’s Maul halten, versichere ich dir. Er hat damals den Streit angefangen!«
»Das dachte ich mir. Aber Valerius Corvus wird es auch merken.«
»Er verfolgt das nicht so genau, denke ich.«
»Und woher weißt du es?«
»Wir haben darüber gesprochen. Rufus ist ein schwieriger Mann und hatte die Abreibung damals mehr als verdient. Aber Erwan hätte darauf achten müssen, dass kein Blut fließt.«
»Er hätte vor allem mir sagen müssen, dass das hier zur Sprache kommt!«, fauchte Annik, und ihre Wut galt jetzt dem alten Tunichtgut, der sie in eine unmögliche Situation gebracht hatte.
Scheinbar halb benommen blieb Erwan auf dem Boden liegen, als Charal fertig war. Annik machte sich von Ursa los und stürmte zu ihm hin.
»Steh auf, du Idiot!«, zischte sie ihn an.
»Kann nicht!«, stöhnte der Alte und zwinkerte ihr zu.
»Lass die Faxen!«
Mit einem kräftigen Ruck am Arm zerrte sie ihn auf die Füße, drückte ihm seinen Stock in die Hand und befahl ihm mitzugehen.
»Stütz mich, Herrin. Nur ein Stück. Sonst glaubt’s mir keiner!«
Das sah sie ein und legte sich seinen Arm um die Schulter, um ihn zu führen. Sie wankten langsam zur Töpferei, doch auf dem Weg dahin nahm Annik eine schöne, biegsame Weidenrute aus dem Bündel mit, das zum Korbmachen
bereitstand. Und als sie außer Sichtweite der anderen waren, erhielt Erwan doch noch seine verdiente Strafe.
Praefect Aurelius Falco wurde Zeuge, wie Annik ihren jaulenden und plötzlich wieder sehr beweglichen Ofensetzer um die Werkstatt prügelte. Etwas verdutzt beobachtete er das Schauspiel und ritt dann kopfschüttelnd zum Stall, um dem Jungen dort sein Pferd zu übergeben.
Gratia erschien am nächsten Morgen wieder in der Töpferei, gerade rechtzeitig, um zuzusehen, wie Annik den Ofen befüllte. Erwan, auf wundersame Weise von seinem Gliederreißen kuriert, hackte das Brennholz vor dem Schuppen.
»Du hast gestern ganz schön für Wirbel gesorgt!«, kicherte Gratia und reichte Annik die Krüge an.
»Ja, und das tut mir auch Leid. Ich werde, wenn ich hier fertig bin, deinen Vater aufsuchen und mich entschuldigen.«
»Das brauchst du nicht. Ich glaube, er versteht das schon.«
»Wie sollte er? Nein, ich habe ihn beleidigt und seine Autorität
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