Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
öffentlich in Frage gestellt. Hinterher ist man klüger!«, sagte Annik mit einem wütenden Blick in Richtung Erwan.
    »Ich denke, er versteht es trotzdem. Falco kam nämlich gestern, und er hat dich beobachtet.«
    Gratia gab Annik eine höchst farbige Schilderung dessen, was sich im Herrenhaus abgespielt hatte. Valerius Corvus hatte Falco, als er ins Haus kam, angefahren, was er ihm da für ein unbotmäßiges Weib als Töpferin angedient habe.
    »Annik? Was ist vorgefallen?«, hatte Falco verwundert gefragt.
    »Sie hat mir einen Vortrag darüber gehalten, wie ich
meine Strafen zu verteilen habe. Hochfahrend und anmaßend. Ich hätte nicht das Recht, ihre Leute zu Krüppeln zu schlagen. Und das wegen dieses alten Nichtsnutzes von Erwan, der Rufus die Nase gebrochen hat. Wer ist diese verdammte Barbarin, Falco?«
    Der Praefect hatte die Schultern gezuckt und gemeint: »Eine Gallierin - die sind manchmal etwas aufbrausend. Aber ich hatte bisher keinen schlechten Eindruck von ihr. Sie hat sich auf der Reise ausgezeichnet um die Frauen gekümmert, und sogar die Männer sind ihr alle mit einem gewissen Respekt begegnet. Sie ist ziemlich geradeheraus, das stimmt schon. Ihr ist eine Art natürlicher Autorität eigen. Wäre sie ein Mann, hätte ich sie gerne als Offizier in meiner Truppe. Könnte es sein, dass du sie irgendwie gereizt hast, Corvus?«
    Valerius Corvus hatte eines seiner seltenen, grimmigen Lächeln gezeigt.
    »Ich beleidigte ihr Rechtsempfinden, da ich den alten Strolch von Erwan wegen seiner Schlägerei mit Rufus auspeitschen lassen wollte. Ich weiß, Rufus hat den Händel herausgefordert, aber Erwan ist zu weit gegangen. Trotzdem, ich bin mir sicher, Charal hat nicht sehr hart zugeschlagen. Aber ungestraft konnte ich den Vorfall nicht lassen.«
    »Nein, das konntest du nicht. Und Charal hat mit Gewissheit nicht hart zugeschlagen, denn als ich eben an der Töpferei vorbeikam, konnte Erwan sich sehr flink bewegen. Er lief vor Annik davon, die ihm mit einer Weidenrute das Fell gerbte.«
    »Ihm was?«
    »Ihr Sinn für Gerechtigkeit, nehme ich an«, sagte Falco trocken, und Valerius Corvus brach in schallendes Gelächter aus. Als er sich beruhigt hatte, fragte er noch einmal: »Wer ist sie, Falco?«

    »Na ja - sie ist mit einem der Auxiliaren liiert, der sich hervorragend mit Pferden auskennt. Martius, den ich zum Kurierreiter gemacht habe. Mit ihm ist sie hergekommen. Dort, im Norden Galliens, lebte sie alleine auf einer kleinen Insel im Meer und arbeitete tagsüber bei einem der Töpfer im Dorf. Auch sie hat eine gute Hand für Pferde, spricht unsere Sprache fließend und versteht ein bisschen etwas von der Heilkunde, wie mir scheint. Aber mehr weiß ich nicht von ihr. Sie scheint keine Familie zu haben, aber das ist nur Vermutung.«
    »Eine Art Priesterin?«
    »Keine Ahnung, Corvus. Ich habe sie nicht gefragt. Mich hat lediglich ihr Verhalten auf dem Marsch hierher interessiert, und das war untadelig. In der Canabae war sie fehl am Platz. Darum habe ich sie dir empfohlen. Schick sie weg, wenn sie dir nicht gefällt.«
    »›Abwarten!‹, hat Vater geantwortet«, sagte Gratia und reichte Annik den von ihr gedrehten Becher mit der Geste einer Hohepriesterin. »Sei vorsichtig damit. Er ist hübsch geworden, nicht? Ich glaube nicht, dass er dir noch böse ist.«
    »Der Becher oder dein Vater?«
    »Äh! Vater! Er mag keine Duckmäuser. Und ich habe ihm abends zusätzlich gesagt, dass du zu mir ziemlich nett bist.«
    »Oh, danke.«
    »Bist du eine Priesterin? So was wie die Vestalinnen?«
    »Ich bin keine Priesterin, Gratia. Ich bin Töpferin.«
    »Sonst nichts?«
    »Sonst nichts.«
    »Und warum hast du alleine auf einer Insel gelebt?«
    »Weil da mein Haus stand.«
    »Ja, aber warum hast du nicht bei deiner Familie gewohnt?«

    »Ich habe keine Familie.«
    »Was... oh, ich merke schon, du willst darüber nichts sagen.«
    »Stimmt, Gratia. Ich möchte darüber nichts sagen. Ich möchte jetzt hier leben und, wenn möglich, einigerma ßen brauchbares Tongeschirr anfertigen.«
     
    Der nächste Besucher kam, als der Ofen am Nachmittag schon brannte und keine dauernde Beaufsichtigung mehr brauchte. Erwan war zumindest darin verlässlich, er schürte das Feuer mit jahrelang erworbener Routine. Cullen, der Barde, nickte ihm kurz zu und trat dann in die Werkstatt, wo Annik eine neue Lieferung Ton in einem Bottich mit den bloßen Füßen stampfte.
    »Oh, du bist es. Mit deinem Besuch habe ich schon gar nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher