Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Du musst dich nicht verpflichtet fühlen. Sonst sehen wir uns voraussichtlich morgen im Laufe des Tages.“
„Gehen wir in den Klub Majak?“, fragte Florian.
„Äh … wird da gestrippt?“, fragte Richard scheu.
„Nein, Hoheit. Aber wir gehen sowieso nicht ins Majak, da der Klub sich mit den Behörden arrangieren muss. Deshalb möchte er mit Menschenrechtsaktivisten nichts zu tun haben. Wir gehen ins Das Café
.
Das ist ein Treffpunkt liberaler Leute, kein Nachtclub“, beruhigte ihn Stas. „Fabian und Florian sind das erste Schwulenpaar, das gemeinsam auf einem olympischen Podest stand. Die kleine LGBTI-Gemeinde von Sotschi würde sie gerne kennenlernen.“
„Und ein Signal, dass nicht alle Heteros die Homosexuellen diskriminieren, wäre bestimmt nicht verkehrt, oder? Justin, du wirst selbstverständlich mitkommen“, befahl Vanessa.
„Es wird mir eine Ehre sein, euch zu diesem Café zu begleiten“ entschied Richard, bevor der gutaussehende Liechtensteiner antworten konnte.
„Das kann vielleicht kompliziert für dich werden, aber das musst du wissen, Richard“, meinte Justin etwas kühl.
Richard bat Stas trotzdem, für die ganze Gruppe ein Minibus-Taxi zu rufen um sie ins fünfundzwanzig Kilometer entfernte Sotschi zu fahren. Er hoffte, so weniger Aufmerksamkeit zu erregen als mit dem Zug. Die Bestellung eines Taxis funktionierte erst, als der Guide erwähnte, dass es für den britischen Prinzen sei – jedenfalls glaubte Richard, das aus dem auf Russisch geführten Telefongespräch herausgehört zu haben. Vanessa deutete auf die große Sporttasche, die sie Stas bis hierher hatte schleppen lassen, und meinte, man solle jetzt die Teamjacken gegen Zivil tauschen. Richards Sakko bildete einen deutlichen Kontrast zu Fabians Lederjacke. Justin betrachtete kritisch eine Jeansjacke mit Lederärmeln, die Vanessa für ihn mitgenommen hatte. In einer solchen Jacke sollte sich schon einmal sein Popstar-Vornamensvetter gezeigt haben, wusste sie zu berichten. Justin brummte: „Aber nur dir zuliebe, Vani!“ Zehn Minuten später fuhr das Taxi vor.
„Ich werde sagen, er soll uns an der Moskowskaya Nummer 22 absetzen, also gleich am Fluss. Wir würden dann entlang dieser Straße in Richtung Bahnhof flanieren, falls der Fahrer nach unseren Plänen fragt“, wies der Guide seine Gäste an und öffnete die Seitentür des Wagens. Richard begann zu ahnen, dass Justin mit den erwähnten Schwierigkeiten nicht die Dreiecksbeziehung mit Vanessa gemeint hatte, und auch James warf ihm einen besorgten Blick zu.
„Wir plaudern nur eine Stunde. Harry war auch schon mal in einer Schwulenbar“, versuchte Richard mehr sich als den Bodyguard zu beruhigen, erinnerte sich aber noch an das versteinerte Gesicht seines Vaters, als dieser die entsprechende Schlagzeile des
Mirror
gelesen hatte. Wer weiß, vielleicht wäre er selbst auch ins Rattlebone Inn zum Kiffen und Zocken gegangen, wenn seine Brüder nicht immer gesagt hätten, er sei dazu noch zu klein. Dafür galt er ja heute als der Seriöse der drei und wahrscheinlich war es auch besser gewesen zu trainieren, statt im Rattlebone Inn – einem Pub – die Nacht zum Tag werden lassen – sonst wäre er jetzt höchstens als Royal hier und nicht als Sportler.
„So nachdenklich?“, fragte Vanessa, die neben ihm saß. „Schwule beißen nicht – nicht einmal einen so hübschen Prinzen.“
Richard wollte sich für das Kompliment bedanken, aber in dem Moment blitzte ihn jemand vom Beifahrersitz einer Vespa aus. Genau das war es gewesen, was seine Mutter als Letztes von dieser Welt gesehen hatte, erinnerte er sich. Er versuchte, diesen Gedanken und auch den Paparazzo zu ignorieren, und antwortete Vanessa: „Ich bin mit coolen Leuten unterwegs, das ist schön.“ Für Vanessa waren die Paparazzi, die bereits zu dritt den Wagen auf der mehrspurigen Prachtstraße umkreisten, wohl ein Abenteuer, dachte er – vorerst.
Auf der
nächtlichen Autobahnfahrt entlang der Küste
reichte ihm Vanessa ihr Smartphone mit der geöffneten Wikipedia-Seite „
LGBT rights in the United Kingdom“
, damit er nicht ganz ahnungslos bliebe. Richard war gewohnt, kurzfristig für einen Besuch das Wichtigste über die Gastgeber zu lernen, und schaute sich noch die Seite für die Homosexuellenrechte in Russland an.
Bald drängelten sie sich im Stadtverkehr von Sotschi. Das Taxi hielt auf dem Parkplatz vor einem dreizehnstöckigen Hochhaus mit runder Glasfassade. Auf der breiten Avenue herrschte trotz
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