Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
der bereits späten Stunde jede Menge Verkehr. Stas wartete, bis das wegfahrende Taxi außer Sicht war, und führte dann die Gruppe über die Brücke zu einem großen Kreisverkehr gleich am anderen Ufer des Sotschi-Flusses. Der schmale Bürgersteig bot wenig Platz und zudem mussten sie einer nicht mehr nüchternen Gruppe junger Männer ausweichen, die rauchend am Brückengeländer stand.
„Schräg rechts weg geht seit ein paar Tagen die Putinskaya, schräg links die Gagarina. Diese zweite Straße ist benannt nach dem ersten Menschen im Weltraum“, gab Stas den Fremdenführer. „Früher waren beide Straßenteile nach dem Kosmonauten benannt. Heute muss er sich mit der schmaleren Straße links begnügen und dort müssen wir hin.“
Auf der Uferpromenade links bot eine Gauklergruppe den Olympiatouristen eine Jongleur-Show mit Fackeln, während die Paparazzi sich wieder in Stellung gebracht hatten – wahrscheinlich, um irgendeine interpretierbare Geste zwischen ihm und Vanessa ablichten zu können, dachte Richard.
Nun mussten sie auf die andere Seite des Platzes gehen – sich also irgendwie durch den Verkehr hindurch mogeln, ohne überfahren zu werden. Richard war sich nicht ganz sicher, ob die Abfahrt am Vortag gefährlicher gewesen war als die Überquerung dieser Straßen. Zuerst eilten sie über die am Ufer entlangführende Straße auf einen Parkplatz, der durch eine Gruppe Palmen vom Kreisverkehr abgetrennt war. Von dort führte sie Stas über die Putinskaya; ein Auto hupte nervös und mahnte die Gruppe zur Eile, und sie konnten sich zwischen auf das eigentlich für alle Fahrzeuge verbotenen Schrägstrichgatter und die abgestellten Autos in der Mitte der Straße flüchten. Hinter Richard quietschten Reifen und ein Paparazzo lag auf der Motorhaube eines Taxis. Der Reporter konnte noch aufstehen und fluchen, aber sein Fotoapparat war in die Windschutzscheibe des Taxis eingeschlagen. Schon bildete sich eine Menschentraube um das Auto und es wurde heftig diskutiert. Inzwischen hatten Richard und seine Freunde die zweite Fahrbahn überquert und ein Gitter übersprungen, das die Fußgänger eigentlich davon abhalten sollte, an dieser Stelle die Straße zu überqueren.
„Krass! Geht es vor dem Buckingham Palace auch so zu?“, fragte Fabian, der vom Bürgersteig aus das Verkehrschaos beobachtete. Der Taxifahrer packte gerade den Paparazzo am Kragen, da der mit seiner zweiten noch intakten Kamera zusammen mit seinen Kollegen den Promis weiter nachstellen wollte.
„Weiter! Weiter!“, mahnte Richard und schob Fabian vorwärts, da Stas auf dem Bürgersteig ein paar Meter voraus in Richtung der Gagarina lief.
Die an dieser Stelle am Kreisverkehr vermutlich illegal am Straßenrand abgestellten Fahrzeuge boten einen Sichtschutz, als sie nun alle von der Putinskaya zur Gagarina eilten. Außerdem war es unter den zahlreichen Bäumen recht dunkel. Deshalb hoffte Richard, die Fotografen hätten seine Spur verloren.
„Bei Ihrem noch prominenteren Namensvetter wurde neulich einer von denen tödlich überfahren“, sagte der Bodyguard zu Justin und deutete mit dem Daumen über die Schulter. Inzwischen näherte sich bereits ein Fahrzeug mit Blaulicht der Unfall- oder besser gesagt der Streitstelle. Eines Anflugs von Schadenfreude konnte sich Richard nicht erwehren.
Weniger als hundert Meter vom Kreisverkehr entfernt bog Stas spitz in eine Seitenstraße ein und stoppte gleich beim Gebäude in der Ecke.
„Das gelbe Haus hier! Ein paar Meter an der linken Seite entlang und dann rein.“
Von der Gagarin-Straße aus sah man dem Haus nicht an, das dort ein Lokal sein sollte, fiel Richard auf. Anscheinend durfte es nur Insidern bekannt sein. Der obere Stock direkt an der Kreuzung schien schon sehr voll zu sein. Am Eingang diskutierte Stas bereits mit einem Mann in seinem Alter.
„Die Paparazzi dürfen nicht mit rein!“, befahl Fabian dem britischen Bodyguard. „In diesem Land könnte einer seinen Job verlieren, wenn er mit mir zusammen auf einer Titelseite abgebildet wird“, mahnte Fabian. Richard hörte das nicht gerne: Es rief sein Gefühl wieder wach, hier in etwas hineingeraten zu sein, das später im Vereinigten Königreich einmal mehr zu Diskussionen über prinzliches Benehmen führen würde – mit dem Unterschied allerdings, dass es dieses Mal nicht um Harry ginge. Doch Kneifen war längst nicht mehr möglich. Einer begrüßte ihn am Eingang bereits verlegen mit „
Welcome, Majesty
“. Als König konnte Richard
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