Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
herausgebracht habe, aber das ist wie eine Mauer in mir“, entschuldigte sich Justin.
„Wir Schwulen in Russland haben uns notgedrungen angewöhnt, aufzupassen, wen wir ins Vertrauen ziehen“, antwortete Stas und streichelte ihm zum Trost über die Haare.
„Ich finde, wenn wir zusammenhalten und geschlossen dagegen auftreten, sind wir stärker“, meinte Florian.
Die mittlere Seilschaft mit den anderen Athleten war bei den Rucksäcken eingetroffen. Während Saubauer noch oben auf dem Grat stand und offenbar gegen sein eigenes Handyverbot sündigte, blickte der Bodyguard James besorgt mit einem Fernglas hoch, doch alle oben bei Saubauer schienen wohlauf zu sein, es ging also beim Telefonat nicht um einen Unfall.
„Stas, du erwähntest mal, dein Nachname Kadyrow schützt dich?“, wechselte Fabian das Thema. Die Diskussion, ob Justin eine Klemmschwester war oder nicht, führte nicht weiter. Außerdem wollte er keine Fortsetzung der Auseinandersetzung mit Patrik, dessen Seilschaft sich nun auch auf ihre Jacken an den Hang setzte, um Saubauers Gruppe abzuwarten.
„Ramsan Achmatowitsch Kadyrow ist mein ältester lebender Vetter.“
„Das ist doch der von Putin eingesetzte Präsident Tschetscheniens“, wusste Florian. „Stas, bist du Moslem?“
Saubauer, Richard und die anderen Nachzügler schwangen sich nun durch den Tiefschnee von Grat herab und die anderen Athleten diskutierten über den Dopingvorwurf gegen die Medaillengewinner des Super-G.
„Meine Familie väterlicherseits hat einen muslimischen Hintergrund“, erklärte Stas, „aber ich bin Atheist und westlich im Lebensstil, daher nicht gerade das Vorzeigemitglied im Clan. Ich hatte gestern Nacht noch ein Telefongespräch mit Verwandten in Grosny geführt.“
Der Bodyguard James, der bis jetzt seine Zielperson Richard beobachtet hatte, wurde nun auf einmal hellhörig. Stas blickte einen Moment sorgenvoll in die Ferne und Fabian fürchtete schon, der Russe wäre aufgrund seiner sexuellen Orientierung ausgeschlossen worden.
„Die Information ist nicht fürs Fernsehen bestimmt und ich darf nicht erklären, warum ich das weiß, aber danach seien Leute des selbsternannten Emirs des Kaukasus im Januar ins Distrikt Maykopsky eingesickert.“
„Das ist wo?“, fragte James.
Stas deutete zum Gebirge auf der anderen Talseite. „Nördlich des Kaukasus-Hauptkamms, den ihr ja von hier schön sehen könnt. Die Grenze zu Maykopsky ist von unserem Olympischen Dorf kaum mehr als zehn Kilometer entfernt.“
„Und warum sind die Terroristen des Emirs gerade in dieser Region?“
„Sie ist traditionell muslimisch geprägt. Selbstverständlich sind die allermeisten dort gegen Terrorismus, aber unter ihnen gibt es eben auch noch Leute, die mit Moskau eine Rechnung offen haben, wegen der Vertreibung ihrer Vorfahren aus der Region von Sotschi durch die Zaren. Die olympischen Spiele hier und nicht etwa im Ural abzuhalten, ist eine Machtdemonstration Putins. Ein Zeichen an alle Völker, wer der Herr über dieses Gebirge ist. Das stößt manchen sauer auf. Die Terroristen haben ja schon im vergangenen Sommer entsprechende Hassvideos veröffentlicht.“
Über alle Aufregung mit den homophoben Rechtsradikalen hatte Fabian den Emir ganz vergessen. Doch wenigstens war dies nicht so persönlich wie die Rechtsradikalen. James fuhr mit seinen Ski ein paar Meter weit, um mit seinem verschlüsselten Satellitentelefon ein Gespräch zu führen. Für Fabian war es offensichtlich, dass der Bodyguard die Informationen aus Grosny nach London weitergab.
Die Nachzügler waren inzwischen eingetroffen. Richard warf einen fragenden Blick zu seinem Bodyguard, wurde aber von Vanessa abgelenkt, die ihm ein paar Dörrfrüchte anbot.
Saubauer stellte sich mit finsterer Miene vor die auf ihren Jacken im Schneehang sitzenden Athleten und Begleiter.
„I hab vorhin oben auf dem Grat mit Swiss Olympic telefoniert. Dort haben sie entschieden, Jonny vom bevorstehenden Riesenslalom zurückzuziehen. Die Verbleibenden werden bei einem Bergsee drei Kilometer nördlich von hier Slalomtraining machen und eine Nacht dort biwakieren.“
„Was?“, platzte Patrik raus. „Der Pink-Punk ist Gebirgsfüsilier und steht deshalb auf so was. Ich nicht!“
Eigentlich war Fabian kein Füsilier, sondern hatte als Offizier der Gebirgsspezialisten eine ungleich bessere militärische Ausbildung. Aber es war ihm zu blöd, sich überhaupt mit Patrik zu zanken.
„Der Coach will uns von der Presse und
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