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Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Russland. Richard hingegen tippte noch schnell eine Nachricht an seinen Vater und an seine beiden Brüder, dass er wohlbehalten im olympischen Dorf zurück sei, und legte sich ins Bett. Aber schnell einschlafen konnte er nicht. Die Bilder des Zusammenstoßes mit den Rechtsextremen und religiösen Fanatikern mit ihrem zügellosen Hass gegen Schwule verschwanden nicht leicht aus seinem Kopf.

Gora Agepsta
    Viel Schlaf fand Fabian nicht. Der absurde Hass, der ihnen in Sotschi entgegengeschlagen war, beschäftigte ihn zu sehr. Nicht nur hier, sondern auch im vermeintlich liberalen Westen hatte Homophobie wieder zugenommen. Frankreich hatte ja vor nicht allzu langer Zeit beinahe vor einer Revolution gestanden – nicht etwa wegen der Steuererhöhungen, sondern weil Schwule heiraten dürfen sollten. Außerdem hatte der Druck der Boulevardpresse auf Schwule wieder zugenommen, angefangen bei der Bambi-Verleihung für den homophoben Rapper Bushido über die Bundestagswahl in Deutschland, bei der in einer Diskussion gegen die Grünen die Grenze zwischen Pädophilie und Homosexualität aufgeweicht wurde, bis zu Fabians eigenem Zwangsouting.
    Er versuchte sich damit zu trösten, dass Stas und andere Aktivisten ganz andere Probleme hatten als er. In Russland wurde ja die widerlegte Verführungshypothese – also dass ein Teenager durch Vorbilder schwul oder lesbisch würde – vergangenen Sommer zur Staatsideologie erklärt und der Schimpfname „Pedik“ zielte genau darauf ab, Lesben und Schwule als Kinderschänder darzustellen.
    Seine Gedanken kreisten lange und der Wecker klingelte früh. Wie seine beiden Zimmergenossen absolvierte er die Tätigkeiten beim Aufstehen wie auf Autopilot: Morgentoilette, Packen – die Medaille kam ganz unten in den Rucksack –, Frühstücken und mit Stas voran zur Seilbahn gehen. Vanessa, Florian und ein paar Weitere aus dem deutschen Team erwarteten sie dort. Saubauer musste Jonny und Cesare sowie die Teamärztin Janette entschuldigen. Wegen des Dopingvorwurfs müssten sie sich im Dorf zur Verfügung halten. Dieses und ein gewisses anderes Ereignis in Sotschi hätten es dem deutschen Trainer Hans-Rüdiger Voss und ihm als weise erscheinen lassen, die Athleten vor dem zu befürchtenden Medienansturm abzuschirmen. Es herrsche striktes Handyverbot, befahl Saubauer, bevor er nun alle zur Fahrt zum nebelverhangenen Rosa Peak versammelte.
    Oben fanden sie das Gipfelrestaurant verlassen vor, nur ein einziger Mitarbeiter der Seilbahn hatte hier oben übernachtet. Der Guide der Deutschen, Surab, ein eher kleiner, sehniger Mann, versammelte die Leute im Restaurant und instruierte die Gruppe in gutem Deutsch, während Stas Stirnlampen verteilte, denn draußen war es noch stockdunkel.
    „Guten Morgen und willkommen auf dem Rosa Peak, so nennen wir Einheimischen diesen Berg, auf dem wir uns jetzt befinden. Wer war schon höher als dreitausend Meter über Meer?“, fragte Surab. Alle Hände gingen hoch.
    „Was war deine größte Höhe?“, fragte Surab den Trainer Saubauer.
    „K2, 8611 Meter – aber vor so langer Zeit, dass ich das nicht sagen mag. Beim Everest hat’s mit dem Wetter nicht geklappt.“
    „Bei mir scho, Saubi“, rief Hansi Vorderseher.
    Der Bergführer Surab beendete nun das Fragespiel, mit dem er offenbar die Leistungsfähigkeit abzuschätzen versucht hatte, und erklärte grob die Tour: „Wir folgen ab hier dem Grat nach Osten, bis die Grenze von Süden her zu uns hochsteigt, dann müssen wir felsige Vorgipfel in zwei nördliche Talkessel umgehen. Eine Tour südlich vorbei ist nicht möglich, da wir sonst auf abchasisches Gebiet gehen müssen. Ein paar Meter Grenzübertritt wird im Hochgebirge noch toleriert, wenn es alpinistisch notwendig ist, aber nicht mehr. Beim Schlussaufstieg zum 3250 Meter hohen Hauptgipfel benötigen wir unter Umständen Steigeisen und Pickel für alle.“
    Er deutete auf Kisten, in denen die an Schuhsohlen festschraubbaren Eisen enthalten waren, während Stas begann, die Pickel zu verteilen.
    „Der Rückweg ist eine Abfahrt ins Tal, wo uns dann Motorschlitten aufnehmen werden“, schloss Surab seine Einführung ab.
    Fabian war es durchaus gewohnt, dass Touren bereits in der Nacht starteten; Justin hingegen gähnte laut, was ein paar Lacher auslöste.
    Draußen im eisigen Nebel wurden dann die Felle auf die Ski aufgezogen. Fabian und seine Freunde bildeten mit Klaus und Stas den Schluss. Aber es galt trotzdem, den Kontakt zum Vordermann nicht zu verlieren

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