Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
nationalistischen Chaoten abschirmen. Eine weise Entscheidung“, fand Richard.
Mit Richards Zustimmung hatte niemand mehr Einwände. Der Rückzug von Jonny konnte nur bedeuten, dass seine B-Probe ebenfalls positiv getestet worden war. Für alle war dies ein Schock. Solche Testergebnisse wie im Radsport hatte es bei den Alpin-Skifahrern noch nie gegeben. Diese Ungewissheit um all die Unredlichkeitsvorwürfe schien Fabian unerträglich. Aber auch eine andere Frage stellte sich: Würde der deutsche Trainer Hans-Rüdiger Florian erlauben, bei ihm im Biwak zu bleiben?
Der Bergsee von der Größe eines Fußballplatzes lag hoch über der Baumgrenze und war zu dieser Jahreszeit nur eine weiße, ebene Fläche. Am talwärts gerichteten Rand wartete Ruedi Mayerhofer mit einigen Motorschlitten; die meisten davon zogen einen Anhänger, auf denen verpackte Militärzelte lagen. Der Chef telefonierte. Er legte auf, als die Gruppe den See überquert hatte und bei ihm eingetroffen war.
„Ruedi, sollen wir das Biwak einrichten?“, fragte Saubauer.
Mayerhofer schüttelte den Kopf. „Die russischen Behörden haben eben die Sondergenehmigung für eine Übernachtung und das Training hier im Naturschutzgebiet zurückgezogen, da sie uns kein Sicherheitspersonal zur Verfügung stellen können. Die werden in Sotschi gebraucht, um weitere Verstöße gegen Sitte und Ordnung zu verhindern, wie sich ein Milizoffizier ausdrückte. Zudem hat mich eben ein Veto der britischen Botschaft erreicht. Sie, Prinz Richard, dürfen nicht so weit weg vom Dorf die Nacht verbringen. Der Grund sei eine Neubeurteilung der Sicherheitslage aufgrund aktueller geheimdienstlicher Erkenntnisse.“
„Ruedi, dann sag mir doch, wie ich jetzt noch meinen Job machen soll!“ Zum ersten Mal sah Fabian den Trainer ratlos. Saubauer war kein angenehmer Mensch, aber dessen Kompetenz war für Fabian bisher immer ein Orientierungspunkt gewesen.
„Das besprechen wir sicher nicht hier!“, antwortete Mayerhofer hart.
Die rüde Antwort interpretierte Fabian dahingehend, dass Mayerhofer in Erwägung zog, den Trainer wegen der Dopingvorwürfe zu feuern. Keiner wagte auch nur laut zu atmen.
„Wie sie inzwischen erfahren haben, wurde die B-Probe von Jonny Ulrichen in Lausanne positiv getestet. Jonny und die Teamärztin sitzen bereits in einem Flugzeug, um einem Haftbefehl durch die russische Polizei zu entgehen. Die Kommunikation mit der Presse über den Fall und alle anderen Ereignissen obliegt einzig und allein mir. Das bedeutet, Klappe halten vor der Presse! Noch Fragen?“
Fabian war überzeugt, dass jeder gerne mehr Details über Jonny hätte wissen wollen, aber keiner traute sich.
„Dann zur nächsten unangenehmen Nachricht. Die betrifft auch die Deutschen und unseren britischen Gast!“
Bei dieser Ankündigung griff Florian nach Fabians Hand .
„Die von der Menschenrechtsexkursion von gestern Abend, also Luchsiger, Häusle, Bend, Wales plus die Signorina und der Bodyguard, wurden wegen Homopropaganda angeklagt. Einer der Gäste im Café sei angeblich erst siebzehn Jahre alt gewesen. Gegen ein sofort fälliges Bußgeld von je fünftausend Rubel waren die Richterin und die Staatsanwaltschaft bereit, auf eine Ausweisung zu verzichten und gegen eine Kaution von umgerechnet je fünfundzwanzigtausend Euro auf einen Haftbefehl wegen Rowdytum zu verzichten. Zudem glaubt die Staatsanwaltschaft, der Besuch sei eine Verletzung des Pride-House-Verbots. Die britische Botschaft hat die Kaution für alle sechs bereits hinterlegt, da alles sehr schnell gehen musste. So konnte auch verhindert werden, dass eure Reisepässe eingezogen wurden. Herrgott nochmals, Luchsiger! Sie haben nicht mal ansatzweise ein diplomatisches Fingerspitzengefühl.“
„Rowdytum? Kaution? Spinnen die?“, ärgerte sich Vanessa.
„Ihre Freunde sollen ja mindestens einen der Demonstranten niedergeschlagen haben, sich also an den Ausschreitungen beteiligt haben.“
„Seine königliche Hoheit wurde mit einem Messer bedroht“, wollte James eine Erklärung beginnen.
„Mit der sofortigen Geldzahlung konnte auch der Einzug des Reisepasses aller Besucher des Cafés in Sotschi verhindert werden. Da mag der Titel von Mister Wales hilfreich gewesen sein. Allerdings verfällt die Kaution mit der Ausreise“, klemmte ihn Mayerhofer ab. „Ich erlaube mir, Sie sechs an die Greenpeace-Aktivisten zu erinnern, die kürzlich für eine ähnliche Sache viele Wochen im russischen Knast
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