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Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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stieß sich Häusle ab.
    Koslow steckte sich einen Kopfhörerknopf seines Smartphones in sein linkes Ohr. Damit war er via Internet mit dem Schweizer Fernsehen verbunden. Zwei Kommentatoren berichteten vom Rennen, ein Sportjournalist zusammen mit dem berühmten Olympiasieger und Pistenbauer Bernhard Russi. Schon oft hatte Russi die Zuschauer auf kritische Stellen der Piste hingewiesen, die Koslows Trainer übersehen hatte.
    „Das deutsche Wundertalent ist unterwegs! Bronze in der Olympia-Abfahrt und das als eigentlicher Slalomspezialist. Wengen, Kitzbühel, Adelboden und vieles mehr hat Häusle bereits gewonnen; teilweise mit Sekundenvorsprung!“
, moderierte der Reporter.
    Nach zwei Toren hörte Koslow auf seinem freien Ohr skandieren: „
Faggot! Faggot!
“, also Schwuchtel auf Englisch.
    „Liebe Zuschauer, wir werden hier gerade Zeugen eines Skandals!“,
bemerkte es nun auch die Schweizer Kommentatorenkabine
. „Wie heute Morgen fliegen schon wieder Schneebälle in Richtung des Fahrers! Die Hooligans verwenden dazu so etwas wie Steinschleudern! Dass die Sicherheitskräfte diese Elemente in der Zwischenzeit nicht des Platzes verwiesen haben, ist vollkommen unverständlich“
, ärgerte sich der Reporter.
    „Wir dürfen nicht alle Russen in einen Topf werfen und müssen nun unbedingt zwischen den rechtsradikalen Spielverderbern im Publikum einerseits, der sportlichen Leistung Koslow und der aufopferungsvollen Arbeit der russischen Helfer andererseits unterscheiden“
, versuchte der Co-Kommentator Russi politisch korrekt zu beruhigen.
    Jetzt wird Häusle an der Skibrille getroffen und muss dadurch stark abbremsen, um sich wieder zu orientieren. Das kostete den Deutschen mindestens zwei Sekunden.
    Die Schweizer Kommentatoren würden wohl nur noch über die Schneebälle reden und nicht mehr die Tücken des Slalomparcours besprechen. Außerdem empfand Koslow den Eingriff der Schneeballwerfer in das Rennen als taktisch unklug, denn jetzt musste er kein Prophet sein, um zu ahnen, dass die Deutschen und Schweizer seine Medaille anfechten würden. Doch nun musste er sich auf seinen Lauf konzentrieren, sonst würde es sowieso keine russische Medaille geben. Er zog den Knopf aus dem Ohr und reichte das Smartphone seinem Betreuer.
    „Kein Übermut! Silber ist auch edel!“, mahnte Trainer Saubauer seinen auf den Start wartenden Schützling Bend, während er und der Materialexperte Klaus Linthaler nochmals den Helm und die Einstellung an der Skibindung des Liechtensteiners überprüften.
    „Dabei sein ist gut, gewinnen besser! Oder etwa nicht mehr, Saubi?“, grollte der Schweizer Materialexperte zornig.
    „Ich werde es den rechtsradikalen Schneeballwerfern da draußen zeigen!“, antwortete Bend wütend.
    Wer wütend war, konnte sich nicht konzentrieren und würde einfädeln, hoffte Koslow. Hinter ihm wurden nun die Fahrer des Rangs 31 und schlechter des ersten Laufs ins Starthaus eingelassen. Anders als im Weltcup durften hier alle, die am Morgen regulär das Ziel erreicht hatten, im zweiten Lauf mitmachen. Doch mit den Rückständen von drei und mehr Sekunden, die diese Läufer mitbrachten, würden sie mit der Vergabe der Medaillen nichts mehr zu tun haben.
    „
You’re up, Mr Bend!
“, forderte ein Starthelfer auf. Koslow spürte seinen Puls steigen. Nach dem Liechtensteiner war er an der Reihe. Jetzt durfte nur noch das Rennen existieren. Immerhin 21 Hundertstel Vorsprung brachte er auf Bend mit, auf den nach wie vor führenden Wales sogar eine halbe Sekunde. Mit einem technisch einwandfreien, dosiert aggressiven Lauf sollte diese Aufgabe zu lösen sein, hatte sein Trainer analysiert.
    Nachdem Bend gestartet war, zog Koslow zur Schranke vor und konnte nicht verfolgen, wie es dem Liechtensteiner auf der Piste erging. Von den Schaulustigen in der Nähe des Starthauses wurde sein Erscheinen mit Applaus und dem Schwenken der russischen Fahne quittiert. Nun durften für ihn nur noch die Tore existieren. Wie sich ein Schauspieler vor dem Öffnen des Vorhangs die ersten paar Textzeilen in Erinnerung ruft, dachte er daran, wie er die ersten Tore fahren wollte. Die letzten fünf Sekunden piepsten. Und los! Raubkatzenstellung, wie Russi eine angriffige Fahrt zu nennen pflegte, keinen Millimeter herschenken und einen Tick direkter fahren, als er es sich vorgenommen hatte. Das kostet zwar viel Kraft und Konzentration, doch die jubelnde Menge trug ihn von Tor zu Tor. Wann, wenn nicht jetzt, sollten sich die unzählig

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