Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
zusammen.
„Stehen wir unter Ihrem Kommando?“
„Nein, auf eigene Verantwortung können Sie auf der Südseite runter. Alle, die mit uns kommen wollen, schalten ihr Mobiltelefon ab, die könnten vom Feind geortet werden, auch wenn sie offenbar alle Antennen sabotiert haben. Luchsiger, führen Sie uns zu den russischen Spähern auf dem Grat.“
Fabian ging also voran, hinaus in den Schneesturm, der sehr unangenehm auf dem Grat entlang fegte, um die Spitze zu organisieren. Justin musste mit dem Navigationsgerät voran, also dimmte er das Display des Geräts so weit wie möglich herunter und stieß sich mit dem Stock in der freien Hand ab. Doch nach ein paar Metern bremste ihn Tiefschnee aus und er sank bis zu den Knien ein. Fabian folgte ihm an zweiter Stelle. Die Verlangsamung war für sie gar nicht schlecht, denn so verringerte sich die Gefahr, dass die Gruppe auseinandergerissen wurde. Er blickte nochmals zurück zur Gipfelstation, ob Florian sich in seiner Nähe befand. Dicht hinter Vanessa folgte er.
Das wenige Licht des Gipfelrestaurants wurde bald vom Wolkennebel geschluckt und auch der Lichthof von Adler konnte sich nur schwach durchsetzen. Trotz Mayerhofers Warnung benützten etliche die Displays ihrer Smartphones, um Justins Spur zu erkennen. Fabian konnte sich nicht vorstellen, dass die Terroristen so gut ausgerüstet waren, um Mobiltelefone zu orten, deshalb ließ er sie gewähren. Das bisschen Licht war wohl besser, als die Spur zu verlieren.
Nach zwei Stunden in der Schneewolke der mondlosen Nacht machte Justin vor einer kleinen Felsformation Rast. „Noch fünfzig Meter bis zur tonnenförmigen Unterkunft des Postens!“
„Alles Stopp! Stas soll kommen! Weitersagen!“, befahl Fabian.
Obwohl die Sichtweite im Nebel nicht größer war als die Distanz zum Posten, konnte dort ein Soldat den Schein einer Taschenlampe oder eines Handydisplays bemerkt haben.
Stas war nicht weit hinten und erreichte schnell die Spitze. Fabian bat ihn, zum Posten auf Russisch zu rufen, dass sich hier Freund und nicht Feind nähere.
Stas rief einige Worte, während Richard mit dem Nachtsichtgerät versuchte etwas zu erkennen.
„Da sind Einschusslöcher in der Tonne und ich glaube da liegen halb zugeschneite Leichen“, stellte Richard auf Englisch und etwas zu laut fest.
Eine Salve von drei Schuss pfiff zwischen Fabian und Richard durch. Der Glarner warf sich so flach wie möglich hin, während auf Richards anderer Seite mit Pistolenschüssen geantwortet wurde. Das musste der Bodyguard James gewesen sein. Fabian hätte sich am liebsten in den Schnee vergraben, doch da sich Mayerhofer irgendwo weit hinten befand, musste er hier vorne entscheiden. Die Schüsse verhallten; es blieb totenstill. Nur das Rieseln des vom Wind vorwärtsgetriebenen Pulverschnees war zu hören. Kein Stapfen im Schnee oder dergleichen, aber auch kein Wimmern eines Verletzten.
„Stas? Richard?“, zischte Fabian. Zu gerne hätte er nach Florian gerufen, doch der befand sich wohl einige Meter hinter ihm. Und so ein lauter Ruf hätte dem Schützen beim Beobachtungsposten nur ein Ziel gegeben. Er musste sich zusammenreißen, auch wenn er vor Angst am liebsten in den Schnee hineingekrochen wäre. Richard hatte vorhin von Einschusslöchern und Toten geredet. Der Posten war also von den Mudschaheddin überfallen worden.
„Richard. Nachtsichtgerät!“
„Es bewegt sich nichts, vielleicht ist der Schütze wieder im Unterstand?“
„Switzerland! Red Cross!“, rief Fabian, wälzte sich sofort zur Seite und überrollte dabei im Dunkeln Stas. Dieses Mal blieb es still. Fabian überlegte sich einen Rückzug, doch die Schüsse auf dem Grat konnte man kilometerweit hören. Möglicherweise hatten sie soeben ihren Standort an die Terroristen verraten und zudem wussten die ja längst von der Seilbahn. Deshalb konnten sie nicht mehr zurück. Ein nur kurzer Rückzug und dann nach Süden vom Grat hinabsteigen, wäre normalerweise eine gute Idee gewesen, besonders mit den Tourenskiern hätten sie schnell Distanz zwischen sich und die Terroristen gebracht, aber ohne GPS-Wegpunkte im Dunkeln war das lebensgefährlich. Es half nichts, jemand musste nachsehen, was im Schutzraum des Postens los war.
„James, wir beide robben zur Tonne! Richard hinter uns beobachtet! Stas folgt, um zu übersetzen! Alle anderen bleiben, wo sie sind!“
Die fünfzig Meter durch die Finsternis und den Schnee schienen Fabian länger zu sein als die paar Kilometer davor. Auf einmal
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