Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
berührte seine Hand ein kaltes Gesicht, einen Körper, eine Waffe. Noch zehn Meter bis zum Posten, kein Feind zu sehen, teilte ihm Richard flüsternd mit. Der Schnee war vom Wind hart geweht worden. Fabian entschloss sich, ein paar Schritte zu laufen, und warf sich dann wieder hin. Da war ein Bein, es war noch warm. Hatte James den Schützen getroffen? Fabian tastete weiter, der Lauf der Kalaschnikow, die die Leiche getragen hatte, war noch warm und somit vor Kurzem benutzt worden. Jetzt wollte er es genau wissen und nahm seine kleine Stab-Taschenlampe heraus. Doch bevor er sie anschaltete, rief er nochmals „Red Cross!“
„Keine Reaktion zu sehen!“, meldete Richard, der nach wie vor mit dem Nachtsichtgerät beobachtete.
„Umgebung?“
„Nichts!“, bestätigte Richard nach kurzem Zögern.
Wirklich sicher konnte sich Fabian nicht fühlen. Er wechselte die Taschenlampe in seine linke Hand, streckte sie möglichst weit vom Körper weg, schaltete ein und warf die Lampe einen Meter schräg nach vorne. Niemand schoss auf das Licht. Also traute er sich, sich nun genauer umzusehen, und auch James wagte es, Licht zu machen. Fabian stockte der Atem. James hatte tatsächlich einen russischen Soldaten erschossen. Vermutlich hatte der durchtrainierte Bodyguard instinktiv auf das Mündungsfeuer gehalten und den Mann, der unter der dicken Jacke das typische gestreifte Hemd der russischen Streitkräfte trug, einmal in den Kopf getroffen und einmal in die Schulter. Der Russe war wohl kaum älter als Fabian selbst. Inzwischen war James an ihm vorbei in den Unterstand geeilt.
„Die Russen scheinen das Gefecht gegen die Mudschaheddin gewonnen zu haben. Allerdings ist die Funkanlage zerschossen. Danach blieb ein Russe wohl verletzt übrig, und einer lebend. Der Verletzte starb vor schätzungsweise zwei bis drei Stunden. Er wurde wohl von dem Schützen notdürftig verarztet.“
So hätte es nicht ausgehen dürfen. Nach dem blutigen traumatischen Gefecht hatte der vermutlich noch nicht so erfahrene Soldat alleine im Dunkel wohl vor jedem Geräusch panische Angst bekommen und hatte einfach geschossen, nachdem er eine ausländische Stimme gehört hatte, erklärte sich Fabian die Ereignisse.
Mehr Leute trauten sich nach und nach Lampen anzuzünden.
Fabian blickte nochmals auf die geschlossenen Augen des Russen. Am liebsten hätte er den Tränen freien Lauf gelassen, doch hinter ihm kauerten mehr als hundert Leute bei Eiseskälte im Schneesturm. Hier bleiben konnten sie also nicht.
„Der Terrorist hat eine FIM-92 Stinger dabei und der dort drüben auch“, stellte Richard fest. „Sie wollten wohl mit diesen Boden-Luft-Flugabwehrraketen vom Grat aus ihre Luftverteidigung organisieren, um die Welt möglichst lange mit der Besetzung des Mountain Clusters in Atem zu halten.“
„Wir Pediki haben einen Soldaten erschossen, Enkel einer zweifellos herzensguten Babuschka. Was meinst du, was die Medien unter Tränen über uns erzählen und Josef Adolew in seinem braunen Blog schreiben wird?“, flüsterte ihm Stas ins Ohr. „Wir müssen aus dem Einflussbereich Putins fliehen! Am nächsten liegt von der Regierung in Tiflis kontrolliertes georgisches Gebiet. Diese Grenze liegt hundertvierzig Kilometer weiter östlich.“
„Die Mudschaheddin verfolgen uns bestimmt. Inzwischen zünden unsere vielen Taschenlampen eine Lichtkugel in den Nebel. Das führt sie hierher. Wir müssen weg“, drängte Richard.
Fabian befahl, alle nicht unbedingt notwenige Beleuchtung abzuschalten. Soweit er sich erinnern konnte, erwarteten sie auf dem nächsten Kilometer zumindest auf der Südseite keine Felswände, wenn auch die Flanke steil war.
„Wir müssen weiter!“
„Und den Prinzen beschützen!“, erklärte der Bodyguard. „Sie beide nehmen diese Boden-Luft-Rakete mit, verteilen Sie ihr Gepäck auf Kameraden“, rekrutierte er kurzerhand Fabians Kollegen Damien und Conradin.
Einen Moment lang war Fabian versucht einzuschreiten. Was sollten sie mit der Stinger, außer sich noch mehr Probleme einhandeln. Ein grelles Licht ließ Fabian plötzlich zusammenzucken. Garchinger filmte die toten Terroristen und Russen.
„Garchi, mach aus! Deine Scheinwerfer sind ja wie ein Leuchtturm!“
Trotzdem drehte der Reporter noch zwanzig Sekunden. Surab meinte, er fände den nächsten Kilometer Weg auch ohne Navigationstechnik, wenn er eine auf Rot gestellte Taschenlampe benutzen dürfte. Der erfahrene Bergführer empfahl trotz Verbot, über die Grenze
Weitere Kostenlose Bücher