Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Jetzt ist etwas frischer draußen unter den Brücken.“ Saubauer wurde dann vom deutschen Trainer abgelenkt.
Als Graber drohte, die Botschaft und die Presse zu informieren, bekam Mayerhofer dann doch seinen VIP-Pass. Fabian mochte solche Zollsachen nicht und bedauerte Klaus und die anderen Materialverantwortlichen, die nun wegen ihrer Skier den Frachtzoll aufsuchen mussten; ihr persönliches Gepäck würde inzwischen direkt in das olympische Dorf der Skisportler im fünfzig Kilometer weiter östlich gelegenen Ski-Ressort Rosa Khutor transportiert.
Nachdem Mayerhofer beinahe beim Einreisezoll hängen geblieben war, traute sich Justin nicht, ihn nach seiner Meinung zu Fabians Zwangsouting zu fragen, denn seine Laune hatte bestimmt durch den Ärger gelitten. Außerdem schien sein Ski-Kumpel im Moment über die Geschichte hinweggekommen zu sein.
Im Bereich hinter dem Zoll tummelten sich viele Athleten mit schwarz-rot-goldenen Fahnen, darunter Hansi Vorderseher, der aus seinem sonnengebräunten Gesicht strahlte, und da kam auch schon der blonde Schwarzwälder aus der Passkontrolle. Florian und Fabian zogen sich an wie Magnete, aber eine Umarmung oder gar einen Begrüßungskuss trauten sich die beiden doch nicht unter den Augen der russischen Sicherheitskräfte. Zudem hatten die Fernsehkameras sie im Visier. Die Sportler wurden nun von Helfern in weißen Kostümen, die junge kaukasische Schneeleoparden darstellen sollten, offiziell begrüßt – der kaukasische Leopard war eines der Maskottchen der Spiele. Dann traten auch schon die ersten Österreicher aus der Zollkontrolle. Jörg Pesenbauer winkte Fabian und Justin zu. Florian war gut gelaunt. Fabian hatte den ersten Schock über sein Outing überwunden, doch rundum wohl fühlte er sich nicht. Bei Gelegenheit musste er seinem Freund vom Zeitungsartikel erzählen. Zudem hatte er das starke Gefühl, dass die Sache noch nicht ausgestanden sei. Und dank Richard würde ihn auch nicht nur die Sportpresse im Auge behalten. Doch wie es auch kommen mochte, er wollte nun mit seinen Freunden Olympia genießen – jeden Moment – und vielleicht, wenn sie sich besonders anstrengen würden, könnte sogar eine Medaille möglich werden!
Rosa Khutor
In der Ankunftshalle des Flughafengebäudes hingen überall die Fahnen der teilnehmenden Nationen. Die eintreffenden Delegationen wurden von den drei Maskottchen, einem Leoparden, einem weißen Bären und einem Schneehasen, mit Faltprospekten ausgestattet, die Touristeninformationen auf Englisch enthielten. Fabian verzichtete auf das Blatt und verstaute seinen roten Pass und das Rückflugticket lautend auf den 24. Februar, den Montag nach der Schlussfeier. Er fragte sich, ob ihn die Russen nicht vorher rausschmeißen würden, da er ja nun öffentlich schwul war. Fabian wollte Florian vom Zeitungsartikel erzählen, aber mit einem „bis gleich“ ging sein Freund zurück zum deutschen Team, bevor er dafür genügend Mut gesammelt hatte. Die deutsche Boulevardpresse, insbesondere das berüchtigte auflagenstarke Blatt der Springer-Presse, würde wohl zur Stunde die Story vom
Blitz
übernehmen, da ja auch ein Landsmann betroffen war.
An der Wand hatte man olympische Ringe aufgehängt und auf einem Podium darunter begrüßte nun die Bürgermeisterin des olympischen Dorfs der Hallensportarten, die weltbeste Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa, das erste Kontingent der Olympioniken. Zu den gesamten Spielen wurden mehrere Tausend Athleten erwartet, allein die Ski-Alpin-Männer umfassten zweihundert Aktive. Obwohl Fabian die Halle fast gerammelt voll erschien, war seine Gruppe ja erst ein Anfang. Viele würden später oder nur zum Zeitpunkt ihres Wettkampfs hierherreisen und nicht wie er die ganzen olympischen Spiele hier verbringen. Er mochte die nun mit ihrer Begrüßungsansprache beginnende Stabhochspringerin seit dem vergangenen August nicht mehr. Sie hatte während der Leichtathletik-Weltmeisterschaft nahezu ungestraft über Schwule herziehen und danach ihr Amt als IOC-Botschafterin der olympischen Jugendspiele behalten dürfen und erhielt sogar das Ehrenamt der Bürgermeisterin des Dorfs hier an der Küste. Hingegen wurden von den Funktionären alle Solidaritätsbekundungen für Schwule und Lesben mit dem Hinweis auf Paragraph fünfzig und einer Ausschlussdrohung abgeblockt.
Fabian ertrug die kurze, nichtsagende Begrüßungsansprache der zierlichen Frau mit den langen Haaren und tippte dabei in der Deckung von Jonny Ulrichens breitem
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