Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Truppe mit großen Augen an.
„Oberst Mayerhofer, Swiss-Ski. Das sind der Gold- und der Silbermedaillengewinner der alpinen Kombination. Sie sind zum Dopingtest bereit!“, meldete der Funktionär zackig.
„Das sind ja Männer! Das ist die Station für die Skeleton-Frauen“, erklärte die Frau im Kittel am Tisch.
Mayerhofer warf Stas einen strafenden Blick zu.
„Und warum sind die beiden hier?“, fragte die Dame weiter.
„Lange Skandalgeschichte, rast schon durch die Medien“, erklärte Mayerhofer.
„Bitte nehmen Sie den
Show-up
unserer beiden Athleten zu Protokoll, Frau Doktor!“, drängte Sinowatz.
„Das geht nicht“, gab die Dame zurück. „Die Vorschrift verlangt die Anwesenheit eines gleichgeschlechtlichen DCO.“
„Luchsiger ist schwul. Dem ist das egal. Beginnen Sie also bei dem mit den roten Haaren!“, befahl Mayerhofer.
„Kein Einwände, gnä’ Frau!“, lenkte der österreichische Trainer ein.
Eigentlich wollte Fabian gegen Mayerhofer protestieren und auch Sinowatz’ Unterstellung, mit Schwulen sei was faul, war beleidigend. Ein schwuler Mann zieht sich nicht vor einer Frau einfach so aus, doch jetzt bedeutete Schweigen Gold, wohl im wahrsten Sinn des Worts, dachte er sich.
„
Oh dear
!“, meinte die nach ihrem Ausweis aus Irland stammende Ärztin O’Brien. Sie setzte sich wieder an den Konferenztisch und klappte ihren Laptop auf. „Sam, ruf die WADA in Adler an, was das hier soll“, beauftragte sie ihre Assistentin und kramte das Ausweislesegerät aus der Tasche, das wohl über Infrarot-Technik mit dem Laptop verbunden zu sein schien. Jedenfalls musste die DCO warten, bis der hochgefahren war. Sie blickte dabei die beiden Fernsehkameras an. Inzwischen war auch Garchinger dazu gestoßen.
„Hier drin Fernsehen? Das geht aber überhaupt nicht!“, befahl sie energisch und deutete zur Tür. Die Kameraleute gehorchten und gingen hinaus. Der Laptop war nun bereit und Dr. O’Brien – so hieß die DCO nach einem Namenschild, das Fabian bemerkt hatte – startete eine spezielle Software. Der Glarner glaubte innerlich zu zerreißen und auch Jörg hatte eine sehr blasse Gesichtsfarbe angenommen. Der österreichische Skirennfahrer kramte seinen Ausweis unter der Jacke hervor. Fabian glaubte, sein Herz bleibe stehen. Er trug ja noch den Rennanzug und hatte den Ausweis in die Kleiderbox gelegt, die vom Start zum Ziel transportiert worden war. Saubauer, der wohl mit Edchams Bus eingetroffen war, hatte zum Glück daran gedacht, Fabians Brieftasche und dessen Olympia-Ausweis mitzunehmen.
Minus 9:44 wurde bei Jörg als Zeit rot ausgedruckt. Um so viel war er anscheinend gemäß der Datenbank zu spät. Fabian kassierte sogar rote 9:57.
„Ich muss Sie beide darauf aufmerksam machen, dass Ihre Proben voraussichtlich nicht anerkannt werden. Sie wissen ja vom Problem der neulich aufgetauchten, schnell zerfallenden Substanzen“, belehrte sie die Ärztin.
„Das WADA-Büro in Adler sagt: Wenn die Athleten keine Einwände hätten, sollen wir trotzdem die Proben nehmen und ein Herr Mayerhofer soll Dr. Graber vom IOC anrufen, gleich hier“, fasste die Assistentin Sam ihren Anruf ins Hauptquartier der Dopingkontrolle zusammen.
„Jetzt darf außer den Athleten und deren Vertrauenspersonen niemand mehr anwesend sein. Die anderen bitte ich jetzt, im Gang draußen zu warten“, befahl Dr. O’Brien nachdrücklich und winkte Fabian zu, er soll eine der noch geschlossenen Schachteln mit den Dopingtestutensilien auswählen. Die Ärztin wollte erst Jörg und dessen Trainer Sinowatz bitten, draußen das Ende von Fabians Test abzuwarten, doch da im Warteraum jede Menge Leute eingetroffen war, die hitzig debattierte – vor allem Vanessa und Monti waren zu hören –, hielt sie es anscheinend für besser, wenn sich der österreichische Athlet solange auf einen Hocker in der Ecke setzen würde.
Nun musste Fabian mit der Ärztin in die Toilettenkabine gehen. Er war sich sicher, noch nie hatte sich jemand nach dem Gewinn einer olympischen Goldmedaille so mies gefühlt wie er.
Zurück am Konferenztisch übernahm Saubauer für seinen Schützling das Aufteilen des Urins in die A- und B-Probe. Fabian musste inzwischen das offizielle Formular unterschreiben. Mayerhofer schien die Aufforderung, den Raum zu verlassen, überhört zu haben, und versuchte inzwischen telefonisch, das IOC-Mitglied Graber aus einer Sitzung herausrufen zu lassen. Für den Glarner schien sich alles wie im Irrenhaus im Kreis zu drehen
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