Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
einem klobig wirkenden Handy. Fabian schüttelte die Hände seiner Freunde und versuchte sich ein Lächeln abzuringen. Auch Richard gratulierte und meinte nur, im Moment dürfe er nicht mehr sagen. Das sei eine Anweisung von sehr weit oben.
„Wir werden in Kürze eine sehr scharf formulierte österreichisch-schweizerische Presseerklärung abgeben“, erklärte Mayerhofer den wartenden Journalisten.
„So scharf wie eben die Kommentare Ihres Teamchefs Monti und der neuen … äh … Bekannten des Prinzen?“, fragte eine ORF-Frau spitz. „Voraussichtlich!“, brummte Mayerhofer.
Fabian empfand Mayerhofers Verhalten als wenig hilfreich. Wer schreit und zetert, hat in den Augen der Öffentlichkeit unrecht. Das war eine PR-Weisheit, die sogar er kannte. Er selbst spielte mehr mit dem Gedanken, am nächsten Morgen gleich nach Hause zu fliegen. Die Russen kamen offenbar nicht damit zurecht, von einem Schwulen geschlagen worden zu sein. Darum ging es doch hier im Grunde. Jörg war nur zur falschen Zeit auf den falschen Rang gefahren.
Fabian und Jörg durften bei Mayerhofer im Geländewagen mitfahren. Richard setzte sich hinten dazu. Die Straßenverhältnisse waren nach dem Wettersturz nicht mehr die besten.
„Bist du mir böse, Pesi, weil du mit mir in diesen Schwulenhass hineingeraten bist?“, traute sich Fabian zu fragen, nachdem sie unerkannt von der Kaserne und dem Sportgelände weggekommen waren.
„Nur um ein paar Homos eins auszuwischen, sollen die Russen so einen Skandal lostreten? Da geht es um was Gefährlicheres“, antwortete Jörg.
Keiner wollte Jörgs Vermutung vorerst kommentieren und so blieb es eine Weile lang still im Wagen.
„Fährst du nicht heim? Du hast ja eine Freundin, die schwanger ist“, fragte Richard auf Deutsch, als sie bei der Unfallstelle angekommen waren. Die hoffentlich echte Polizei regelte nun den Verkehr und versuchte den Fahrer des verunglückten Autos zu beruhigen. Mayerhofers Wagen musste talwärts fahrenden Gegenverkehr abwarten.
„Wieso sollte ich jetzt davonlaufen? Ich habe heute Silber gewonnen!“, schimpfte Jörg. „Das lass ich mir von so einem Affentheater nicht nehmen. Was bilden sich diesen dämlichen Russen eigentlich ein?“, gingen nun plötzlich mit Pesenbauer die Nerven durch. „Wenn Koslow Zehnter geworden wäre, hätte man die ersten neun verhaftet? Luchsi, hab i Silber ehrlich gewonnen, oder nicht?“
„Klar!“, antwortete Fabian. Richard blieb still.
„I glaub, i spinn. Der blaublutige Promi glaubt tatsächlich, i tät mit den Schweizern packeln!“ Jörg öffnete die Tür und sprang in das Schneegestöber hinaus. Fabian verstand nicht, warum sich sein österreichischer Kollege nun plötzlich von Richard provoziert fühlte. Er vermutete, der Tiroler Ski-Star war einfach nervlich am Ende.
„Was glaubst du eigentlich!“, schrie Richard auf Englisch. Offenbar riss nun auch bei ihm der Geduldsfaden und auch er sprang aus dem Wagen. „Es ist nicht lustig, die Ledermedaille zu gewinnen. Was soll ich jetzt tun? Nach der unehrenhaften Silbermedaille greifen oder Gentlemen sein?“
„Halt doch die Klappe! Du kannst wieder in den Palast zurück. Ich aber bin ab jetzt nur noch der Star in den Österreicher-Witzen!“
„Ich mach Spitzensport, damit ich mal was Außergewöhnliches erreiche, das nichts mit meinem blauen Blut zu tun hat. Aber jetzt will der halbe britische Adel seine Beziehungen für mich spielen lassen! Verflucht noch mal!“ Richard trat mit dem Fuß gegen einen Reifen.
„Schluss jetzt! Pesenbauer! Wales! Einsteigen! Jetzt gilt es zusammenzuhalten!“
Mayerhofers Kommandostimme schien den beiden wieder etwas Halt zu geben. Nachdem sie ein paar Schritte hin und her gegangen waren und nun auch der Mannschaftsbus aufgeschlossen hatte, stiegen sie wieder ein.
Oben angekommen schickte Mayerhofer die Athleten gleich aufs Zimmer: Sie sollten sich umziehen und mit Zuhause telefonieren oder dergleichen. Um 17.45 Uhr halte er eine Pressekonferenz zusammen mit dem designierten Schweizer Doppelolympiasieger und dem österreichischen Silbermedaillengewinner ab. Stas erwähnte noch, dass man die Medaillenfeier für die Alpin-Herren ganz am Schluss der am Abend durchgeführten Zeremonien gelegt habe, damit man bei einer Abfahrt nach der Pressekonferenz gerade noch rechtzeitig auf der Medals Plaza eintreffe. Er fügte hinzu, dass er die Ereignisse sehr bedaure. Fabian meinte nur, Stas solle doch mit hoch ins Zimmer kommen. Er wollte einen
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